Kataster – Wort mit Dynamik

Heute ist in der Schweiz der Kataster definiert als „ein aktuelles, zuverlässiges, öffentliches und amtliches Informationssystem, das Grundstücke und Rechte an Grundstücken (Eigentum, Eigentumsbeschränkungen) geometrisch und beschreibend dokumentiert“ (Wicki 2014). Das Wort Kataster ist der gemeinsame Name für drei Bereiche: Amtliche Vermessung, Kataster der öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen und Grundbuch. Einen aktuellen Einblick in das schweizerische Katasterwesen gibt die zugehörige Website in den drei Landessprachen und in Englisch (www.cadastre.ch). Das war nicht immer so und zeigt auch in Zukunft auf eine dynamische Entwicklung.

Mit dem Wort Kataster bezeichnet man allgemein ein Register, verwendet es aber nie ohne Objekt. Es steht immer mit Bezug zu etwas, das es zu registrieren, zum Festhalten gilt. Dabei handelt es sich um Dinge oder um Sachverhalte, die auf einen Raum bezogen und mit geometrischen Elementen beschrieben werden. Beim Raum sind es Teile der Erdoberfläche, wie die einzelnen Staaten sie für ihr Territorium, für ihre Länder festlegen und abgrenzen. Dies bedingt einen technischen Vorgang, weshalb Kataster als Begriff in der Zeit veränderlich ist. So wird er unterschiedlich definiert und gilt je nach Ort und Zeitabschnitt. Man spricht vom Katasterwesen (engl. cadastral systems).

Als Fachbegriff gehört Kataster zu einer bestimmten Terminologie, die von Fachleuten festgelegt und in verschiedenen Sprachen zugänglich gemacht wird. Seit das Grundeigentum nicht nur beschreibend, sondern auch mit einem geometrischen Plan gekennzeichnet wird, leisten die Feldmesser, die Geometer, einen wesentlichen Beitrag dazu. Das macht ihren Berufsstand zu einem Teil des jeweiligen Katastersystems. International organisiert sind sie als Internationale Vereinigung der Vermessungsingenieure (FIG – International Federation of Surveyors). Hier befasst sich die Commission 7 mit den Themen Kataster und Landmanagement. Eine aktuelle Übersicht gibt «CADASTRE 2014 and Beyond» (FIG Publikation No 61, herausgegeben von Daniel Steudler). Gegenwärtige Herausforderungen sind Aufgaben der Kataster zu Themen wie Beanspruchung von Land, Sicherheit der Ernährung, Klimawandel, Rechtskonflikte in Umweltfragen sowie Aufstellen eines Netzwerks für eine globale Infrastruktur. Unter dem Einfluss zunehmender Digitalisierung sind die Katastersysteme anwendbar im Hinblick auf Erschliessung, Rechte, Nutzung und Entwicklung von Raum. Zweckmässig wird dabei unterschieden für hochentwickelte Länder und für jene in Entwicklung.

Zur Bedeutung des Wortes Kataster

Vorgestellt seien eine Untersuchung zur deutschen und eine zur französischen Sprache: „Zur Erklärung des Wortes Kataster“ von Amtsrichter Professor Dr. Schumacher (Deutschland), 1897 erschienen, und die „Etude sur le cadastre“ von Grundbuchdirektor Dr. Louis Hegg (Lausanne), 1923 erschienen. Beide zeigen, wie unterschiedlich das Wort Kataster bzw. cadastre im Lauf der Zeit verwendet wurde.

Im deutschen Sprachraum findet sich im 17. Jahrhundert das Wort catastrum. Damals war die Umgangssprache der Gebildeten nicht mehr Latein wie im Mittelalter. In deutschen Texten wurden allerdings Wörter aus dem Lateinischen übernommen. Vor allem in der amtlichen Sprache behielten sie ihre lateinische Form, so auch das catastrum. Bezeichnet wurden damit jene Steuerregister, die sich auf die Grundsteuer bezogen. Grammatisch ist es ein Neutrum, deshalb heisst es noch heute „das Kataster“. Eine Ausnahme bilden Süddeutschland, Österreich und die Schweiz, wo „der Kataster“ geläufig ist (Schumacher 1897, 166).

In der lateinischen Sprache ist das Wort catastrum allerdings nicht zu finden. Aufschluss geben dennoch die damaligen Steuersysteme. Bekannt ist einerseits die capitatio in der Bedeutung von Kopfgeld oder Kopfsteuer. Andererseits wurde die Steuer für Grundeigentum zeitweise caput genannt. Wenn solche Steuern aufgelistet wurden, so waren sie regesta, woraus die Überschrift registrum gebildet wurde. Sehr wahrscheinlich gab es im frühen Mittelalter die Bezeichnung capitationis registrum für die Kopfsteuer und caput registrum für die Grundsteuer. Diese zwei getrennten Wörter wurden im Spätlateinischen zusammengezogen zu capitastrum und später gekürzt zu catastrum. Ähnlich sei im Französischen daraus das capdastre (später cadastre) und im Spanischen das catastro entstanden (Schumacher 1897, 163-4).

Die italienische Übersetzung muss aus einem anderen Zusammenhang erklärt werden. Kataster heisst dort catasto und wird auf das lateinische catasta zurückgeführt. Gemeint ist damit ein Gerüst oder Stapel, insbesondere das Schau-, Blut- oder Bühnengerüst.

Im französischen Sprachraum waren die Herrschaftsverhältnisse des Ancien Régime ähnlich komplex wie andernorts. In Frankreich verzeichnete man die Güter und Einkünfte in sogenannten „reconnaissances“ (dt. Urbare). Sie beruhten auf persönlichen Erklärungen, die von Bevollmächtigten überprüft und periodisch nachgeführt wurden („remembrement“). Zur Klärung waren manchmal Skizzen beigelegt. Nach der Revolution wurde dieses System hinfällig, da 1790 im Bestreben zur gerechteren Verteilung der Lasten die Grundsteuer vereinheitlicht wurde. Dadurch sollten die alten Abgaben abgelöst und auf die Nutzung des Bodens bezogen werden. Nun wurden die Bemessungsgrundlagen proportional zu Fläche und Ertragskraft festgelegt. Dazu brauchte es aber genaue Messungen, Berechnungen und Zeichnungen. Mit der Aufnahme beauftragt wurde 1791 das Bureau du Cadastre, und zwar unter der Leitung von Ingenieur Gaspar de Prony (1755-1839), dem späteren Direktor der „Ecole nationale des ponts et chaussées“. Im entsprechenden Gesetz von 1807 festgeschrieben wurde ein Grundstückskataster mit genauer Vermessung jeder einzelnen Parzelle, der ab 1808 bis 1846 für jede Gemeinde Frankreichs erstellt wurde (Hegg 1923, 21).

Das französische Wort cadastre wird abgeleitet vom spätlateinischen capitastrum in der Bedeutung eines Registers als Bemessungsgrundlage für Steuern. Es habe aber schon im Mittelalter die Grenzsteine bezeichnet oder auch die Schieferplatten, worauf man Grenzverhältnisse eingraviert habe, bevor Papier benutzt wurde. Cadastre stand immer im Zusammenhang mit der Besiedlung des Landes, wenn die öffentliche Hand verschiedene Elemente des Grundeigentums kennen musste. Es waren dies die Oberfläche, die Natur der Kultivierung, Fruchtbarkeit, Ertrag und Name des Eigentümers. In Frankreich galt allerdings das Hauptinteresse der Steuerpolitik und nicht den Rechtsverhältnissen (Hegg 1923, 2).

Das Wort Kataster in der Schweiz

Ähnlich wie in Frankreich war in der Schweiz zur Zeit der Helvetischen Republik (1798-1803) ein zentrales Bureau du cadastre vorgesehen. Wegen fehlender finanzieller Mittel konnte es aber die Vermessungen nicht durchführen (Rickenbacher 2011, 303). Nach dem Scheitern dieses Einheitsstaats wurde das Gebiet durch Mediation von Napoleon in 19 gleichberechtigte Gliedstaaten mit eigenen Regierungen und einem Landammann an der Spitze eingeteilt. Dies ermöglichte es, für viele Bereiche die lokal besser geeigneten Lösungen zu finden, die sich im Einzelnen aber als sehr unterschiedlich erwiesen, so auch bei Kataster und Grundeigentum. Als erster erliess der neugebildete Kanton Waadt bereits 1804 ein Gesetz zum Erstellen von geometrischen Plänen des ganzen Kantons. Zuvor war er Untertanengebiet von Bern gewesen, verfügte über einige Pläne aus früheren Vogteien und verordnete nun eine Parzellierung mit genauer Vermessung des ganzen Kantonsgebiets. Dieses Vorhaben, cadastre genannt, hatte steuerlichen Zweck. Es unterstand dem Finanzdepartement und sollte rasch die leere Staatskasse füllen. Die Umsetzung war aber alles andere als einfach (Monition 1989, 19-106). Zuständig war neu ein Commissaire général, später Directeur du cadastre genannt. Im Detail ausgeführt wurden die Arbeiten oft von Personen, die als Notare und Geometer gleichzeitig tätig waren. Die anderen Kantone handelten ihren Voraussetzungen entsprechend in eigenem Ermessen, weshalb der Fortgang und die Arbeiten selbst sehr verschieden ausfielen.

Eine Vereinheitlichung begann mit der geometrischen Darstellung der Pläne. Der Anstoss dazu kam aus der Forstpolitik, als Mitte des 19. Jahrhunderts die Waldungen geplant wieder aufzuforsten und deshalb zu vermessen waren. Dazu brauchte es qualifizierte Fachleute. Mehrere Kantone einigten sich 1864 auf das „Konkordat über die gemeinschaftliche Prüfung der Geometer und deren Freizügigkeit“, worauf zu amtlich anerkannten Vermessungen nur noch patentierte Geometer zugelassen wurden. Diese „Konkordats-Geometer“ erstellten fortan Kataster- und Waldpläne nach einheitlichen Normen, basierend auf der eidgenössischen Triangulation (Rickenbacher/Just 2012). Um ihre Tätigkeit gegen andere Zwecke wie Kartographie, Topographie oder Geodäsie hervorzuheben, wurde sie als Kataster-Vermessung gekennzeichnet (frz. cadastration).

Gleichzeitig wuchs in der kantonalen Vielfalt der Schweiz allgemein der Bedarf, das Privatrecht zu vereinheitlichen. Dies geschah 1912 mit der Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs. Dazu gehörte auch das dingliche Recht an den Grundstücken. Bisher war es in den kantonalen Katastern verschieden umschrieben und geschützt. Neu waren damals die Bestimmungen über den Erwerb von Grundbesitz. Dessen Begründung, Änderung, Übertragung oder Aufhebung waren nun im Grundbuch neu nach eidgenössischen Vorschriften einzutragen und öffentlich zu beurkunden. Die zugehörigen Pläne wurden sodann in der Grundbuchvermessung erstellt, fortan auch Amtliche Vermessung genannt (Rickenbacher/Just 2012). Ausgeführt wurde sie von eidg. patentierten Grundbuchgeometern. So benützt der Autor der „Vermessungskunde für Ingenieure und Techniker“ die Ausdrücke Kataster und Grundbuch als Synonym (Bachmann 1950, 461-466). Und in seinem „Rückblick, Umschau und Ausblick“ auf „Das Amtliche Vermessungswesen der Schweiz“ beschränkt der Autor die Katastervermessung auf die Arbeiten im 19. Jahrhundert (Matthias 1976, 23-26). Seiner Meinung nach sollten aber die Werke der Amtlichen Vermessung so konzipiert werden, dass sie sich als Grundlage für Mehrzweckkataster eignen, beispielsweise für Werkleitungen, Grundwasserschutz, Lärm, Bepflanzung etc. (Matthias 1991, 41). Damit ist eine Ausweitung auf verschiedene Zwecke angezeigt und so konnte das Wort Kataster seine aktuelle Bedeutung als Informationssystem erhalten.

Mittels Vermessungstechnik von der Limitatio zum Kataster

Mit Blick auf den Boden, auf dessen Nutzung und Einteilung ist an die Zeit unter römischer Herrschaft zu erinnern. Sie begann im 2. Jahrhundert v.Chr. und wurde in Etappen ausgebaut. Zuvor war das Gebiet der heutigen Schweiz von verschiedenen, meist keltischen Stämmen bewohnt, von denen allerdings keine Spuren der Landeinteilung vorhanden sind (HLS 12, 816-8). Wie in anderen Ländern organisierten die Römer nach einer militärischen Eroberung das Gebiet in Kolonien bzw. Provinzen und bauten Strassen sowie militärische Zentren. Ihnen folgten die Feldmesser (agrimensores), die das Umland eines Zentrums abgrenzten und in einzelne Felder einteilten. Ihre Methode, die limitatio und centuriatio, bestand aus einem rechtwinkligen Koordinatensystem, das z.B. nach Norden oder nach dem höchsten Sonnenstand ausgerichtet wurde. Die Normalgrössen der Felder waren Quadrate mit Seitenlängen von 710 m, teils auch Rechtecke. Diese Felder wurden neu zugeteilt, und zwar an Veteranen, Verwalter oder an den lokalen Adel. Auskunft über den Besitzer gab ein besonderes Verzeichnis, die forma. Die Versicherung erfolgte teils mit Grenzsteinen, teils mit Holzpfählen. Die Hauptachsen wurden auch als Wege benutzt (Peters 1988). Einen konkreten Einblick in ein solches Vermessungssystem gibt zum Beispiel die Rekonstruktion für die Römerkolonie Augusta Raurica (Stohler 1957).

Für die kleinräumigen Verhältnisse der Schweiz sind Rekonstruktionsversuche gemäss einer idealtypischen limitatio fraglich geblieben. Eher plausibel scheint, dass die Römer hier pragmatisch vorgingen und kleinere Raster benutzten, falls sie überhaupt eine Vermessung machten und das Eigentum nachwiesen (HLS 12, 816-8). Dieser Rückblick zeigt aber den Stellenwert der Vermessungstechnik. Sie ist jene Kompetenz, die von der römischen Limitation zu den Katasterplänen im Ancien Régime führen sollte. In ihrer Entwicklung steht sie in Wechselwirkung mit dem Kataster und mit der erfassten Besiedlung selbst.

Definition im Zusammenhang erläutern

Mit Vorteil benützt man Kataster als Kunstwort und schaut, wie es zur jeweiligen Zeit an einem bestimmten Ort gebraucht wird. Dies bedingt zwar eine aufwändige Kleinarbeit. Aber nur so gelangt man zum Begriff, der das Gemeinte adäquat erfasst. Wohl kann die sprachliche Herkunft für den historischen Zusammenhang hilfreich sein und ein Fremdwort erhellen. Sie kann aber auch in eine Sackgasse führen, wenn der jeweilige Zusammenhang seiner Verwendung nicht erläutert wird. Übersetzungen und Mehrsprachigkeit weisen den Ausweg.

18.3.2022 / B.M.

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