Ingenieure im Wallis zur Zeit vor 1815

Das Wallis ist seit 1815 als Republik der 20. Kanton der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Geographisch ist es geprägt vom Lauf der Rhone von deren Quelle zwischen Grimsel- und Furkapass bis zur Mündung in den Genfersee. Der Seitentäler reichen im Norden bis zu den Berner Alpen und im Süden in die Walliseralpen, deren Spitzen die Landesgrenzen bilden. Zwischen Leuk und Siders befindet sich der Pfynwald mit dem Fluss «la Raspille» auf der rechten Talseite. Östlich davon liegt das deutschsprachige Oberwallis. Westlich im Mittel- und Unterwallis wird französisch gesprochen.

Herrschaftsverhältnisse im Wallis

Das heutige Wallis hat eine reiche Vorgeschichte mit prähistorischer Kultur (HLS 13, 196f). Zur Zeit der Römer war es von vier keltischen Stämmen besiedelt, die um 15 v.Chr. ins Römische Reich eingegliedert wurden. Bedeutende Städte waren Octodurus (Martigny), Agaunum (St. Maurice) und Sedunum (Sitten). Das Unterwallis lag am wichtigen Alpenpass über den ganzjährig begehbaren Grossen St. Bernhard. Mit der Christianisierung wurde Martigny Bischofssitz. Im 6. Jahrhundert wurde er nach Sitten verlegt. Nach Zugehörigkeit zu den Königreichen der Burgunder, Franken und Karolinger wurde Sitten 1032 zum reichsunmittelbaren Fürstbistum erhoben. Im selben Gebiet lagen Güter der Abtei St. Maurice, bei der sich im 12. Jh. die Grafen von Savoyen als Kastvögte etablierten. Ende des 13. Jh. entstanden kommunale Grundherrschaften, die «Zenden». Neben dem Fürstbischof erlangten sie eine gewisse Selbstverwaltung. Mit ihrem Erstarken schränkten sie dessen weltliche Herrschaft ein, sodass er im Landrat ab 1634 nur noch den Ehrenvorsitz hatte. Die Regierung lag fortan beim Kleinen Rat, bestehend aus Landeshauptmann, Landschreiber und den Boten der Zenden sowie beim Kriegsrat.

Ansicht von Sitten «so mit Mauren umbgeben ist». Aus: Topographia Helvetiae, Rhaetiae, et Valesiae. Meriansche Erben, Franckfurt am Mayn MDCLIV. 90 (Neue Ausgabe 1960)

Bereits ab 1403 bestanden Bündnisse zwischen dem Wallis und den Eidgenossen, sodass das es ab 1416 in der Schweiz als Zugewandter Ort auftrat. Bern verbündete sich 1475 mit dem Fürstbischof und den Zenden gegen Savoyen. Der Fürstbischof besiegte mit eidgenössischen Hilfstruppen das savoyische Heer, eroberte in einem Feldzug das Unterwallis und erklärte es 1477 zum Untertanengebiet, so auch die weltliche Herrschaft über St.-Maurice. Später unternahmen bischöfliche Truppen im Val d’Ossola eine vergebliche Expansion nach Süden gegen Mailand, weshalb seither die Grenze bei Gondo liegt.

Sämtliche politischen Entscheide wurden ab dem 16. Jahrhundert vom Landrat gefällt. Sie betrafen Wahlen, innere Organisation und Aussenpolitik, so auch die Ernennung für Kommissäre wie jene für den Strassen- und Bergbau. Der Landrat wurde vom Landeshauptmann einberufen und tagte in der Regel zweimal jährlich, meistens im Schloss Majoria in Sitten. Die Abgeordneten der Zenden stimmten gemäss Instruktionen ihrer Gemeinden. Konnte für ein Geschäft keine Einigung erzielt werden, wurde es zur Beratung an die Zenden zurückgewiesen mit der Auflage, für die nächste Tagung entsprechende Instruktionen einzuholen. Dieses Vorgehen ist jenem der eidg. Tagsatzung sehr ähnlich.

Die Freiheitsbestrebungen des Unterwallis führten zu Aufständen, die niedergeschlagen wurden. Am 22. Februar 1798 gestand ihm der Landrat die Unabhängigkeit zu. Doch auf Druck Frankreichs wurde bereits im April das ganze Wallis zu einem Kanton der Helvetischen Republik. Ab 1802 war es eine unabhängige Republik, bis es am 12. November 1810 per Dekret von Napoleon annektiert und als Departement Simplon zu einem Teil Frankreichs erklärt wurde. Nach Napoleons Niederlage marschierte im Dezember 1813 ein österreichisches Regiment in St. Maurice ein. Hierauf teilten die Alliierten den Kanton in 13 gleichberechtigte Zenden ein und drängten zwecks Stabilität zur Vereinigung mit der Eidgenossenschaft. Mit Unterzeichnung der Urkunde vom 4. August 1815 wurde das Wallis deren 20. Kanton.

Erste Karten und Festungsbau im Wallis

Es fällt auf, dass im Wallis des Ancien Régime keine Ingenieure tätig waren. Das heisst aber nicht, dass entsprechendes Wissen nicht vorhanden gewesen wäre. In der Beschreibung der Schweizerischen Eidgenossenschaft des Zürcher Stadtarzts Conrad Türst (um 1450-1503) enthalten ist die erste moderne Karte der Schweiz. Sie wurde 1513 im Strassburger «Ptolemäus-Atlas» gedruckt. In Kavalierperspektive zeigt sie auch das Wallis von der Furka bis zum Genfersee mit der Rhone und den wichtigsten Ortschaften. Später erschienen Karten einzelner Kantone.

Oberwallis als Teil 1 aus Sebastian Münster: Karte des Wallis in zwei Teilen, nach Süden orientiert. Holzschnitt 1545, «durch Johann Schalbetter loblicher gedechtnuss artlich beschrieben» (10.3931/e-rara-12954; Beschreibung in Gattlen 1992, 31f)

Die erste Karte des Wallis stammt von Johann Schalbetter (um 1475-vor 1541). Er war Priester in Sitten. Sein um 1535 erstelltes Manuskript wurde 1544 in zwei Teilen von Sebastian Münster in Basel herausgegeben. Es gilt ebenfalls als erste Regionalkarte des Alpenraums (Gattlen 1992. HLS 11, 1). Ihr Reichtum an Ortsbezeichnungen ist so gross, dass er erst 1682 auf der Karte von Antoine Lambien (+ 1683) übertroffen wird. Lambien wurde in Brig geboren und machte Studien im Ausland. Ab 1660 wurde er wiederholt zum Grosskastlan von Brig und 1682 zum Landschreiber (Secrétaire d’état) gewählt (Wolf 1879, 40). Bekannt ist ferner das Marchenbuch von Samuel Bodmer (1652-1724). Ursprünglich Bäcker machte er Karriere bei der bernischen Artillerie und wurde um 1700 bernischer Feldmesser. 1712-14 leitete er den Kanderdurchstich. Mit seiner «geometrischen» Zeichnung des Wegs über die Gemmi nach Leuk von 1701 erfasste er einen Teilbereich der Marchen, sie sei aber nach topographischen Kriterien weniger gut gelungen (Wolf 1879, 63).

Weniger bekannt sind die Karte und ihre Kopien des italienischen Geometers und Ingenieurs Giuseppe Maria Pilliano aus dem Jahr 1733. Unter Mitwirkung von Isaac Gamaliel De Rovéréa (1695-1771) hatte er zwischen Savoyen und dem Wallis die Grenzen in den Gemeinden Martigny und jenen von Chamonix und Vallorssine aufgezeichnet (digitaldisci.it).

Länger dauernde Grenzstreitigkeiten gab es an der Rhone zwischen Wallis und Bern im Abschnitt unterhalb Martigny und dem Genfersee, wo der Fluss anlässlich von Hochwassern seinen Lauf oft änderte. An einer Konferenz in Aigle im Jahr 1756 beschlossen die Vertreter zwei Kommissäre zu ernennen, um das genaue Flussbett und die Grenze zu bestimmen. Berner Vertreter war Ingenieur François-Gamaliel de Rovéréa (1728-83). Kommissär des Wallis war Pierre de Rivaz (1711-72). Anfänglich konnten sie sich nicht einigen. Erst Ende 1760 fand ihr Plan die Zustimmung der Behörden. Anschliessend erhielt de Rivaz den Auftrag, die Grenzen auf dem Grossen St. Bernhard zu studieren. 1761 erstellte er einen Plan des Lac du Mont-Joux mit Hospiz. Diese Grenze war seit Jahren nicht geregelt und führte zum offenen Streit, als Charles-Emmanuel III., König von Sardinien und Herzog von Savoyen, das Gebiet 1755 für sich beanspruchte. De Rivaz schrieb einen Bericht und sandte ihn, zusammen mit einem Plan, an die Deputierten der Beteiligten. Als sich der Konflikt verstärkte, verweigerte Sardinien dem Wallis die Salzlieferung und sandte Truppen ins Aostatal. In den folgenden Jahren beruhigte sich die Lage, konnte aber erst 1906 vertraglich geregelt werden. Pierre de Rivaz war ein Erfinder, wirkte in Bergwerken und Salzgewinnung, machte Vorschläge zur Trockenlegung des Berner Seelands und verfasste historische Arbeiten (Michelet 1986/87).  

Zu bemerken ist, dass im Wallis die Eigentumsverhältnisse samt Grenzen von kundigen Notaren beschrieben wurden und bis heute in Archiven registriert sind. Manchmal waren sie Geometer im Nebenberuf. Ein Beispiel ist die Familie de Torrenté (Favard Duchêne 2003). Jean Philippe de Torrenté (1694/95-1762) war Notar und verfügte über eine reichhaltige Bibliothek. Darunter hatte es auch Literatur zur Geometrie für Ingenieure und zum Feldmessen. Sein Sohn Jean Adrien de Torrenté (1726-1778) war ebenfalls Notar, wurde Magistrat in Sitten und verfasste einen Kommentar zum Walliser Landrecht. Daneben verstand er sich als Geometer und Zeichner. Er hinterliess einen Plan des Grand-Pont mit der Sionne sowie eine Stadtansicht von Sitten (HLS 12, 430f). Eine sehr genaue Ansicht, noch vor dem Stadtbrand von 1788, stammt von Antoine Gabriel de Torrenté (1752-1816). Im 19. Jahrhundert sollten aus dieser Familie einige Ingenieure hervorgehen.

Jean Adrien Etienne de Torrenté (1726-1778), Portrait von Rabiato 1771 (Fayard-Duchêne 2003, planche 16)

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts entstand in der Schweiz der «Atlas suisse» und zwar aus privater Initiative. Initiant war Johann Rudolf Meyer (1739-1813) aus Aarau, der Johann Heinrich Weiss (1758-1835) aus Strassburg und Joachim Eugen Müller (1752-1813) aus Engelberg beizog. Mitgewirkt hatte anfänglich Johann Georg Tralles (1763-1822). Für ihre Arbeiten hatten sie auch das Wallis bereist und aufgenommen, aber keiner von ihnen war Ingenieur. Kantonale Vermessungen folgten erst im Laufe des 19. Jahrhunderts. Im Wallis zu erwähnen ist Josef Anton Berchtold (1780-1859). Er war Priester, förderte die Schulen und organisierte Katastrophenhilfe. Als Domherr der Kathedrale von Sitten begann er 1829 privat mit einer ersten Triangulation und führte sie 1834 im Auftrag der Eidgenossenschaft weiter zwecks Grundlage für die Dufourkarte (HLS 2, 210. Zölly 1933. Wolf 1879, 199-203).

Von modernem Festungsbau sind im Wallis keine Spuren vorhanden. Bei Bedrohungen wurden Konflikte in Feldschlachten ausgetragen oder es gelang den Angreifern, in die Ortschaften einzudringen und sie zu plündern. Projekte mit bastionären Befestigungen, wozu es Ingenieure gebraucht hätte, sind im Ancien Régime keine bekannt. In fremden Diensten hingegen war Jean-Etienne Amand de Courten (1696-1745), zuerst in Frankreich und ab 1719 in Spanien. Er war der einzige Ingenieur aus dieser Familie (Fayard Duchêne 2003).

Verbauungen von Flüssen und Wildbächen

Aus den Chroniken ist ersichtlich, dass sich im Tal der Rhone seit dem Mittelalter bis um 1800 mehr als 20 Hochwasser ereigneten und dass folglich die Talebene kultiviert war (EDI 1964, 40-42). Die Schäden reichten vom Ausfall der Ernte, Wegschwemmen von Brücken bis zur Zerstörung von ganzen Dörfern. Oft kam das Flussbett höher zu liegen, so dass nach den Überschwemmungen seitlich sumpfiges Gebiet entstand und der Fluss in verschiedenen Armen und mit Inseln verlief. Ebenso kam es zu Ablagerungen im Tal, wenn ein Hochwasser aus den Seitentälern abfloss.

Monthey im Monat August 1726, aufgenommen von I.G. Rovéréa. Projekt zur Umleitung der Vièze: G Burghügel des alten Schlosses. H Neues Flussbett (Comtesse 1920, 83-84)

Ein Beispiel ist die Vièze aus dem Val d’Illiez. In Monthey, wo sie zur Rhone hin abbiegt, hatte sie im Marktflecken schon mehrfach Schäden angerichtet. Überliefert sind die Jahre 1478, 1486, 1575 und 1651. Damals führte sie um den Burghügel des alten Schlosses herum. Bereits 1486 versuchte man, die Vièze mit einem Graben vor dem Hügel direkt in die Rhone weiterzuleiten, doch trotz grossen Anstrengungen erschien das Vorhaben nicht durchführbar. Nach einem extremen Hochwasser von 1726 griff man auf diese Idee zurück. Ingenieur Isaac Gamaliel de Rovéréa (1695-1771) zeichnete den Plan dazu. Es handelte sich um einen Graben von 300 m Länge und etwa 10 bis 20 m Breite. Gemäss Anordnungen der Walliser Behörden begann die Ausführung durch Angehörige der Nachbargemeinden, auch aus dem Waadtland. Doch bald erlahmte der Fortschritt, so dass die Behörden unter Androhung von Strafe weitere Befehle erliessen und um grössere, auch finanzielle Mithilfe ersuchten. Ende 1727 war die «percée du Château-Vieux» beendet. In den folgenden Jahren musste den Bürgern verboten werden, Steine aus der Verbauung zu entfernen und für den eigenen Bedarf zu verwenden. Erwähnt werden zudem Reparaturarbeiten. 1733 kam es erneut zu Überschwemmungen, als die Vièze die Absperrung zum Kanal durchbrach und im Marktflecken wiederum Schäden anrichtete. Diesmal entsandte die Regierung Franz Joseph Burgener (1697-1767), dannzumal als Oberst Kommandant der Oberwalliser Milizen, worauf diese Absperrung als Schwachpunkt erkannt und der Bau einer «grande muraille» angeordnet wurde. Fortan schützte sie den Ort (Comtesse 1920).

Das Verhalten der Bevölkerung, ihre Klagen und die Proteste gegen Mitarbeit an den Verbauungen ist verständlich. Jede Gemeinde war für den Schutz gegen Hochwasser selbst zuständig, sei es an der Rhone als Hauptfluss oder in den Seitentälern. Und ihre Mittel waren beschränkt. Die erwähnte Aufnahme der Staatsgrenzen von François-Gamaliel Rovéréa und Pierre de Rivaz von 1756 führte zu Teilkorrektionen der Rhone (Bissegger 2019, 597). Sie wurden ab 1768 als Richtplan beachtet, bis ab 1825 die Frage einer Korrektion der Rhone auf der ganzen Strecke von den Regierungen der Kantone Waadt und Wallis erneut aufgegriffen wurde (Vischer 2003, 97f).

Franz Samuel Wild (1743-1802), Portrait von unbekanntem Maler (Rivier 1998, 31)

Mit dem Zustand der Rhone von der Quelle bis zum Genfersee als Ganzes auseinandergesetzt hatte sich Franz Samuel Wild (1743-1802), seit 1783 Direktor der bernischen Salzbergwerke von Bex. Ab 1795 wohnte er in Pully bei Lausanne und beteiligte sich an den revolutionären Bewegungen. 1798 verzichtete er auf das bernische Bürgerrecht und kämpfte fortan für die Einheit der Waadt. Als deren Unabhängigkeit proklamiert wurde, erhielt Wild nicht nur den Dank, sondern weiterhin die Direktion der Salzbergwerke von Bex. Anfangs März 1798 brach im Tal des Ormonts ein Bürgerkrieg aus. Wild zog von Bex aus mit einer Truppe seiner Arbeiter gegen Bern, was er später, als Bern gefallen war, bereute. Wegen «seines Wissens, seiner Bildung und Erfahrung» geschätzt wurde er ferner vom französischen Diplomaten Michel-Ange-Bernard Mangourit (1752-1829), der sich 1798 als Vertreter Frankreichs im Wallis aufhielt. Lieber hätte er das Wallis zu einem Departement Frankreichs gemacht. Dennoch befürwortete Margourit dessen Eingliederung in die Helvetische Republik (HLS 8, 262). In seiner Stellung als helvetischer Kommissär im revolutionären Wallis machte Wild Vorschläge zur Eindämmung der Rhone zwischen dem Genfersee und Brig. Dabei dachte er auch an eine spätere Schiffbarmachung dieser Strecke (Wild 1799).

Wilds Vorschläge zur Eindämmung der Rhone sind die eines Gelehrten. Er sah die Not der Bevölkerung und wollte ihr mit seinem Wissen abhelfen. Im Einheitsstaat sah er die nötigen Voraussetzungen für die bisher kommunal zugewiesenen wasserbaulichen Massnahmen. Er beschrieb die verschiedenen Flussabschnitte und das zugehörige Vorland, bewachsen mit Moos und Lischen (Flechten), teilweise morastig und versumpft, also unfruchtbar. Nach Überschwemmungen würde das Flussbett wechseln, auf dem nichts als unnütze Erlen wachsen. Mit einer Überschlagsrechnung schätzte er den möglichen Gewinn an Kulturland. Als Bedingung forderte er die wohlwollende Zustimmung der Regierung, was derzeit infolge von Krieg nicht möglich, aber gleichwohl vorzubereiten sei. Für die Realisierung sah er eine Aktiengesellschaft vor, technisch geleitet von einem «Haupt-Ingenieur». Mittels Längsdämmen sollte der Fluss einen möglichst geraden Lauf nehmen, der immer Wasser führt und sich eingräbt. Mit senkrecht dazu gelegten Querdämmen (Schwellen) sollte Schlamm gewonnen und auf fruchtbaren Boden hinausgeleitet werden, was Wild mit einer Zeichnung illustriert. Wo erforderlich, seien besondere Kanäle anzulegen. In diesen Details nahm er Bezug auf ausländische Beispiele, namentlich auf den eingedämmten Arvan bei St. Jean in Savoyen. Er rechnete das Unternehmen und die Kosten als gewinnbringend, doch im Vordergrund sollte die patriotische Gesinnung mit Blick auf Gemeinnützigkeit stehen, die schliesslich zum Wohlergehen der ganzen Bevölkerung führe.

Wild stellte die Wirkung der Seitentäler fest, deren Flüsse bei Hochwasser der Rhone viel Geschiebe zuführten. Vorschläge zu Wildbachverbauungen machte er nicht. Bereits im 18. Jh. gab es zwar solche auf den Schwemmkegeln der Seitenbäche. Es waren Massnahmen zur Abwehr. Eine systematische Bekämpfung der Ursachen setzte erst im 19. Jh. ein (Schnitter 1992, 123f).

Strassen und Brücken

Im Kanton Wallis stehen zahlreiche Brücken aus Holz und aus Stein, die vor 1815 erbaut wurden. Es sind Werke von Zimmerleuten und Baumeistern. Beachtung fanden sie bezüglich Heimatschutz oder Technik (Curiger 1925. Kalbermatten 1991). Ingenieure werden allerdings erst als Folge des Baus der Kunststrasse über den Simplon-Pass durch die französischen Ingenieur-Brigaden namentlich bekannt.

Im Verlauf des Jahres 1800 erteilte das Direktorium der Helvetischen Republik der Verwaltungskammer des Kanton Wallis den Auftrag, den kantonalen Strassenbau neu zu organisieren. Ein Jahr zuvor hatten die beiden helvetischen Regierungskommissäre Franz Samuel Wild und Louis De Loës einen Bericht verfasst, worin sie den sehr schlechten Zustand der Strassen, insbesondere als Folge der häufigen Überschwemmungen der Rhone, festhielten. Ihre Berichte erhielten von militärischer Seite grössten Nachdruck (Michelet 1965, 81).

Isaac de Rivaz (1752-1828), Portrait von Antoine Hecht 1827 (Michelet 1965)

Dieser Auftrag gelangte an Isaac de Rivaz (1752-1828). In Paris geboren als Sohn von Pierre de Rivaz (1711-72) und aufgewachsen bei seinem Onkel in Monthey wurde er 24jährig Notar und erhielt kurz darauf den Titel eines Ingenieurs. 1798 leitete er die Volksversammlung, welche die Unabhängigkeit des Unterwallis proklamierte, und war dann Vizepräsident der kantonalen Verwaltungskammer. Betreffend Strassenbau wandte sich Isaac de Rivaz nun an den helvetischen Kriegsminister Joseph de Lanther (1748-1832) aus Freiburg. Dieser wiederum erkundigte sich bei Isaac de Rivaz nach dem verfügbaren Bestand an finanziellen Mitteln, Personal und Material. Am 26. März 1801 antwortete de Rivaz, das Wallis verfüge weder über Ingenieure noch über Architekten. Dann listete er die wichtigsten Maurer, Schmiede, Zimmerleute, Bauunternehmer sowie Strasseninspektoren auf und qualifizierte sie namentlich für den fraglichen Strassenbau. Ferner zählte er die vorhandenen Werkstätten auf, die Steinbrüche, Kalkfabriken, Ziegeleien, Schmieden und Hammerwerke. Er schloss seine Antwort mit der Angabe von Kosten im Taglohn und Einheitspreisen. Auf Verlangen des helvetischen Chefingenieurs Jean-Samuel Guisan (1740-1801) entwarf er Pläne der Rhone mit Vorschlägen zur Korrektion sowie der Brücken bei Riddes und Leuk. Dann schätzte Isaac de Rivaz die Kosten für die nötigsten Arbeiten, verfasste neue gesetzliche Vorschriften, bezeichnete für jeden Zenden die Inspektoren namentlich und organisierte den Strassenunterhalt mit Strassenmeistern und vertrauenswürdigem Personal.

Als das Wallis 1802 eine unabhängige Republik wurde, begnügte sich die Regierung damit, den Unterhalt zu vereinheitlichen, wies diese Arbeiten wieder den Gemeinden zu, verordnete Frondienst und ernannte zwei Chef-Inspektoren. Am 17. November 1802 wurde Isaac de Rivaz zum «Inspecteur en chef des Ponts et Chaussées» für das Gebiet unterhalb der Raspille (Fluss an der Sprachgrenze) ernannt. Priorität erhielt gleichzeitig die von Napoleon befohlene Strasse über den Simplon-Pass. Isaac de Rivaz behielt seine Funktion als «Ingénieur du pays» bis 1815, war aber bereits 1808-10 Staatsrat gewesen. Als das Wallis zum Departement Simplon das französischen Kaiserreichs erklärt wurde, diente er der Präfektur als Rat. Nach 1815 blieb er als Staatskanzler im Dienst und wandte sich zugleich wieder seinen Forschungen auf dem Gebiet des Automobils, der Setzmaschine und der Salzgewinnung zu (Michelet 1965, 81-88).

Bau der Strasse über den Simplon-Pass

Seit 1797 verfolgte Napoleon Bonaparte die Idee für den Bau einer Strasse über den Simplon-Pass. Damit wollte er Frankreich den direkten Zugang zu der von ihm 1797 gegründeten Cisalpinischen Republik in Norditalien verschaffen. Eine neue «Kunststrasse» hatte vorwiegend militärischen Zweck, selbst wenn auch der Handel erwähnt wird, denn auf diesem Weg sollten baldmöglichst französische Truppen samt Kanonen die Alpen überqueren können. Napoleon selbst suchte in Paris ein neues Kommando. Als sich eine geplante Invasion Englands undurchführbar erwies, stimmte das Direktorium der Eroberung Ägyptens zu. Napoleon landete dort 1798, verlor dabei seine Flotte und schlug mehrere Schlachten. Als ein weiteres Vordringen aussichtlos wurde und sich in Europa eine zweite Koalition gegen Frankreich bildete, gelang Napoleon im Oktober 1799 die Rückkehr nach Paris. In einem Staatsstreich erreichte er das Amt des ersten Konsuls der Republik. Innenpolitisch bekämpfte er die Opposition und schaffte Ruhe durch Reformen. In Norditalien hatten die französischen Truppen mangels direkter Verbindung zu Paris den österreichisch-russischen Truppen weichen müssen. Napoleon war entschlossen, die französische Vorherrschaft wieder herzustellen. Mit einer Armee von 60’000 Mann überquerte er den Grossen Sankt Bernhard, erschien überraschend in Mailand und besiegte die Österreicher im Juni 1800 bei Marengo (Mittler 1988, 130-141. Flückiger-Seiler 1997).

Louis-Marie Turreau de Garambouville (1756-1816), General (Lechevalier 2002, 211)

Nun wollte Napoleon bessere Verbindungen über die Alpen zwischen Frankreich und Italien. Da die Lage im Piemont noch nicht sicher genug war, bevorzugte er den Übergang durch das Wallis über den Simplon an den Lago Maggiore. Nur wenige Wochen nach dem Sieg bei Marengo befahl er den Bau einer neuen Strasse. Seine «Arrêté» vom 7. September 1800 enthielt 7 Artikel. Als Landesgrenze zwischen Piemont und der Lombardei (der Cisalpinischen Republik) deklariert ist der Fluss Sesia. Der Weg zwischen Brig und Domodossola muss tauglich sein für den Transport von Kanonen. Auf der südlichen Seite, bis Gabi, ist die Cisalpinische Republik zuständig, auf der Seite nördlich ab Gabi der französische Kriegsminister. General Turreau trifft besondere Massnahmen zur Beschleunigung der Arbeiten mit Offizieren und Truppen aus dem eigenen Bestand. Unterstützt wird er von zwei Ingenieur-Brigaden und zwei Bataillonen. Aus der «Armée d’Italie» werden ihm ein Artillerie-, ein Genie-Offizier und drei Sappeur-Kompanien zugeteilt. Die beiden Republiken stellen monatlich je Fr. 50’000 zur Verfügung. Mit der Ausführung beauftragt sind die Aussen-, Innen- und Kriegsministerien (Lechevalier 2006, 53f).

Betreffend die Ingenieure ging dieser Befehl an Emmanuel Crétet (1747-1809), seit 1799 Senator, Staatsrat und Direktor der Ecole des Ponts et Chaussées. Bereits am 14. Oktober bestimmte er die Zusammensetzung der beiden Ingenieur-Brigaden wie folgt: je ein Chef-Ingenieur aus der Armee d’Italie, zwei ordentliche Ingenieure aus französischen Departementen, zwei Ingenieur-Schüler der Ponts-et-Chaussées und zwei Bauleiter. Er wählte sie namentlich aus, denn sie sollten Erfahrung beim Bau im Gebirge mitbringen und sich möglichst rasch an ihren Einsatzort begeben. Ihre Lebensdaten sind bekannt (Lechevalier 2002, 213-7). Zusätzlich ordnete er an, dass «Bürger Céard» die beiden Ingenieur-Brigaden beaufsichtigen musste, ohne dass aber dessen Aufgaben genau beschrieben wurden. Diese Ernennung zum Inspektor liess der Kriegsminister direkt an Nicolas Céard (1747-1821) zukommen (Lechevalier 2006, 55).

Nicolas Céard (1745-1821), Ingenieur. Portrait um 1811 (Lechevalier 2006, 33)

Von der militärischen zur zivilen Leitung der Planung

Der gesamte Bau stand anfänglich unter militärischer Leitung. Am 11. November 1799 bezog General Turreau mit seinem Stab das Quartier in Domodossola, überquerte zwei Tage später in Begleitung von Offizieren, unter anderem von Genie-Hauptmann Henry Guignard, den Simplon-Pass bis Brig und kehrte Ende November nach Domodossola zurück. Dabei erlebte er ein grosses Schneegestöber.

Noch vor Baubeginn hatte der Kriegsminister Alexandre Berthier seine strategischen Bedenken den Genie-Chefs der Armeen in Graubünden und Italien sowie General Turreau unterbreitet. Jener von Italien, General François Chasseloup-Laubat (1754-1833) antwortete als erster. Der Simplon sei ein vortreffliches Hindernis. Besser wäre es, das Piemont zu annektieren und den Weg über den Kleinen Sankt Bernhard oder den Mont Genèvre zu öffnen. Die Schweiz würde so nicht tangiert (Lechevalier 2002, 218f). Das Kriegsministerium war anderer Meinung und noch von Brig aus widerlegte General Turreau am 27. November die Argumente von Chasseloup. Am 1. Dezember machte er in Domodossola seinem Chefingenieur in Brig die Vorschriften für den Bau des Nordabschnitts. Er drängte sehr auf einen raschen Baubeginn, wie aus einem Brief des Genie-Chefs der Armee in Graubünden, Lery, hervorgeht.

Briefkopf von Franz Samuel Wild, Oberberghauptmann (Lechevalier 2002, 267)

An dieser Korrespondenz der Generale beteiligte sich Franz Samuel Wild als helvetischer Kommissär. Von den Franzosen wird er als «Oberst Wild» angesprochen. In Brig hatte er General Turreau sowie General Lery getroffen. Schon am 2. Dezember berichtete er an den helvetischen Chef-Ingenieur Jean Samuel Guisan über die Betriebsamkeit der Franzosen. Am 14. Dezember 1800 schrieb er an den helvetischen Kriegsminister, Joseph de Lanther, dass er zutiefst betrübt sei, weil die Helvetische Republik vom Bau der neuen Strasse nicht informiert worden sei und er daraus etwas Schlimmes zu befürchten habe. Die Frage von Lery, was seine Regierung von der Strasse allgemein halte, konnte er nicht beantworten. Doch zur Meinung der Einwohner antwortete er, dass die Walliser gekränkt wären, weil sie um die Unabhängigkeit ihres Vaterlands fürchteten. Erneut schrieb er am 25. Dezember an Lanther, dass die Walliser befürchteten, der Strassenbau sei ein weiteres Argument für die Annexion des Wallis durch Frankreich. Ein solches Vorhaben könne man aber sehr einfach zum Scheitern bringen, indem man aufzeigt, dass unter den gegenwärtigen Kriegsverhältnissen die Zeit für den Bau nicht ausreicht. Gleichzeitig macht er noch den Vorschlag für eine neue Linienführung zwischen Brig und der Passhöhe. Schliesslich dachte er an die Zeit nach den Kriegen. Dann werde die französische Flotte wieder einen freien Zugang zum Meer haben und die Verbindung über den Simplon zwischen Frankreich und der Cisalpinischen Republik ersetzen. Weitere Briefe von Wild an Lery und Besprechungen mit Turreau zeigen dieselbe Absicht (Lechevalier 2002, 212f).

Der aus der «Armée d’Italie» zugeteilte Genie-Offizier war Henry Guignard (1765-1819) aus Yverdon, blieb aber als erfahrener Hauptmann fachtechnisch General Chasseloup unterstellt. Bereits im Dezember 1800 hatte ihn General Turreau für den Unterhalt des bestehenden Wegs über den Simplon verantwortlich gemacht. Dies verhalf ihm zu besonderen Ortskenntnissen sowie zu ersten Ideen für die Linienführung der neuen Strasse. Es kam zu Zwietracht mit den Ingenieuren der Ponts et Chaussées. Sehr kritisch berichtete er am 20. Mai 1801 auf dem Dienstweg über die Organisation der Baustellenplanung von General Turreau. Ferner leitete er die Klagen der Italiener weiter, die nur zahlen mussten, ohne zu erfahren, was mit dem Geld geschehe. In diesem Punkt erreichte er Abhilfe, indem für die italienische Seite ein eigener Kontrolleur entsandt wurde.

Alexandre Berthier, Prince de Neuchâtel, Kriegsminister (Jelmini 2010, 52)

Kriegsminister Berthier erhielt in jenen Monaten nur widersprüchliche und verwirrende Nachrichten. Am 6. Juni 1801 informierte er die drei Konsuln der Regierung über den Stand der Arbeiten und den schlechten Baufortschritt. Er stellte fest, dass es an Kenntnissen, Ordnung, Strenge und Wirtschaftlichkeit mangle und dass General Turreau mit Vorteil durch einen Offizier ersetzt würde, der diese Eigenschaften in weit höherem Masse besitze (Lechevalier 2002, 255).

In der «Arrêté» vom 8. Juli 1801 bestimmte Napoleon als erster Konsul die zivile Instanz als einzige Leitung der Arbeiten. Damit ging die Verantwortung vom Kriegs- an den Innenminister. Auf der Baustelle wurde sie dem bisherigen Inspektor Nicolas Céard übertragen. So wurde er nun allein zuständig für diese grosse Bauvorhaben. Lang umstritten war die Linienführung der neuen Strasse. Ingenieure der Ponts et Chaussées, Genie-Offiziere und selbst Generäle hatten ihre Argumente. Im März 1802 konnte Céard sein Projekt für die Passstrasse in Paris vorlegen. Es wurde von der Assemblée des Ponts et Chaussée genehmigt (Lechevalier 2006, 59). Bei dieser Gelegenheit dachte Céard auch an die Strasse von Genf nach Brig und beantragte eine genaue Vermessung. Staatsrat Crétet bewilligte zwei französische «Ingénieurs géographes» und erhöhte die Zahl auf vier. Céard wünschte Aufnahmen 1:5000. Die Arbeiten begannen im Juli 1802. Im März 1803 konnte er sie, ergänzt mit seinen Vorschlägen für den Strassenbau, in Paris bei Staatsrat Crétet präsentieren (Lechevalier 2005. Rickenbacher 2011, 212f).

Saint-Gingolph. Grenze zwischen Frankreich und Wallis (Lechevalier 2005, Fig 5)

Für den Bau der Passstrasse behielt Céard die Organisation im Wesentlichen bei. Personelle Wechsel gab es im Stab, zum Teil aus gesundheitlichen Gründen. Für die Ausführung ging man von Regie zur Ausschreibung und Unternehmern im Akkord über. Céard hatte vor allem mit technischen Problemen in der Gondo-Schlucht und mit finanziellen gegenüber Italien zu kämpfen. Insgesamt waren bis gegen 3’000 Arbeiter beschäftigt.

Am 30. August 1802 wurde das Wallis zur unabhängigen Republik erklärt. Der Ausbau der Simplonstrasse war dabei ein wichtiger Grund. Frankreich bezahlte und verlangte freien Durchgang. Das Wallis wurde zum Unterhalt, Reparatur und Gewährung der Sicherheit verpflichtet. Am 2. Dezember 1804 krönte sich Napoleon in Paris zum Kaiser der Franzosen. Im folgenden Jahr wandelte er die Republik Italien in ein Königreich um und liess sich am 26. Mai in Mailand zum König krönen. Dort wurde ihm Nicolas Céard vorgestellt. Napoleon erkundigte sich nach dem Moment, wann die Kanonen passieren könnten. Nicht vor Ende Jahr, musste Céard antworten. Napoleon liess den Stand der Bauarbeiten erkunden und entschied sich, mit seinem Gefolge im Juli 1805 über den Pass von Mont Cénis nach Paris zurückzukehren (Lechevalier 2006, 61f). Feierlich eröffnet wurde die Strasse über den Simplon-Pass am 9. Oktober 1805, obwohl noch zahlreiche Arbeiter mit der Fertigstellung beschäftigt waren.

Biographische Ergänzungen

Zu Franz Samuel Wild vermutet Rudolf Wolf, dass er Einsicht in die Ingenieurarbeiten gehabt hätte (Wolf 1859, 291f). Sein Beitrag an den Strassenbau des Kantons Wallis und seine diesbezügliche Korrespondenz wurde aber seither nicht näher erläutert. Michel Lechevalier macht Angaben dazu in den Briefen von Wild in dessen Eigenschaft als helvetischer Kommissär für den Kanton Wallis (Lechevalier 2002). Wild verstarb am 26. April 1802 an seinem Wohnort in Pully bei Lausanne.

Wenn General Turreau in den ersten 10 Monaten nach Napoleons «Arrêté» vom 7.9.1800 Führungsmängel bei der Planung der neuen Strasse vorgeworfen werden, so ist zu bedenken, dass er Truppenkommandant war, ohne aber mit dem Geniedienst vertraut zu sein. Louis-Marie Turreau de Garambouville (1756-1816) stammte aus der Normandie, kommandierte in der Vendée die «colonnes infernales» und wurde 1793 Divisions-General. Unter dem Konsulat gehörte er zur «Armée d’Italie», nahm 1799 am französischen Feldzug in die Helvetische Republik teil und schlug den zweiten Oberwalliser Aufstand nieder (HLS 12, 561). Nach seiner Entlassung bei den Bauarbeiten zog er nach Paris und übernahm im November 1801 das Kommando über die französischen Besatzungstruppen im Wallis. Als Resident im Wallis unterstützte er den Anschluss des Wallis und der Waadt an Frankreich. Im August 1803 zog er seine Truppen ab, nachdem das Wallis im September 1802 zur unabhängigen Republik erklärt worden war. Von 1803 bis 1810 war er Botschafter in den USA.

Staatsrat Emmanuel Crétet (1747-1809) war an der Grenze von Savoyen zur Dauphiné aufgewachsen. Als Kaufmann unternahm er Reisen nach Amerika und England, bevor er sich in Paris niederliess. 1799 unterstützte er den Staatsstreich von Napoleon, wurde Senator, Staatsrat und Direktor der Ponts et Chaussées. In dieser Funktion leitete er von Paris aus die Baustellen am Simplon und am Mont Cenis. 1806 wurde er Leiter der «Banque de France» und 1807 Innenminister. In diesen Jahren führte er den Kataster ein, reorganisierte die Schule und das Corps der Ponts et Chaussées, verbesserte Schiffahrt und Strassen sowie die Hygiene. 1809 trat er krankheitshalber zurück und verstarb kurz danach (Lechevalier 2002, 213. Tarbé 1884, 269).

François Chasseloup-Laubat (1754-1833), General. Befiehlt 1796 als Chef des Genie die Belagerung von Mantua (Lechevalier 2002, 219)

General François Chasseloup-Laubat (1754-1833) hatte unter Napoleon verschiedene Aufträge. Nach Ausbildung zum Genie-Offizier diente er als Oberst in der «Armée d’Italie», wurde 1796 zum Brigade-General befördert und nahm 1800 an der Schlacht bei Marengo teil. Anschliessend reorganisierte er die Festungsplätze in Norditalien. 1811 wurde er Staatsrat und beteiligte sich 1812 am Feldzug gegen Russland (Lechevalier 2002, 218).

Aus der «Armée d’Italie» kam Genie-Hauptmann Henry Guignard (1765-1819). Aufgewachsen in Yverdon und nach Dienst in Belgien nahm er an Feldzügen der Revolutionsarmeen teil, kam zur «Armée d’Italie» und wurde gemäss «Arrêté» vom 7.9.1800 in den Stab von General Turreau eingeteilt. Ende 1801 bat er aus gesundheitlichen Gründen um Urlaub und im April 1802 um Entlassung aus der Armee. In Yverdon wurde er Strasseninspektor, leistete 1802 Dienst als Kommandant von Orbe und 1810-14 als Grossrat (HBLS 4, 8. Lechevalier 2002, 221).

In Graubünden lag die 2. Armee der Reserve, seit 5. Oktober 1800 als «Armée des Grisons». Genie-Chef war General Lery, mit vollem Namen François Joseph d’Estienne de Chaussegros, vicomte de Lery (1754-1824). In Quebec geboren hatte er eine Ausbildung in Frankreich als Genie-Offizier, baute an verschiedenen Festungen und wurde 1799 zum Brigade-General befördert. Ab Ende 1803 diente er in verschiedenen Armeen und ab 1812 als Kommandant des Genie-Diensts in Spanien und Italien (Lechevalier 2002, 218 und Wikipedia).

Als Nicolas Céard die volle Verantwortung für den Strassenbau über den Simplon übernahm, behielt er die Struktur der beiden Ingenieur-Brigaden mit den zehn zivilen Ingenieuren bei. Personell gab es dennoch einige Wechsel. Im Nordabschnitt starb der Leiter Charles Lescot krankheitshalber im Januar 1802 und wurde durch François R. Houdouart (1761-1810) ersetzt. Die anderen Ingenieure blieben hier nicht lange im Einsatz, sondern machten Karriere, meist in einem anderen französischen Departement.  Eine Ausnahme war Jacques Claude Plainchant (1763-1852). Er kam 1801 als Ersatz für Claude Marie Carré-Wagniat (*1755) in die erste Brigade. Nach Vollendung der Strasse blieb er Chefingenieur der Walliser Strassen. 1815 übernahm er provisorisch die Stellung von Isaac de Rivaz bis 1816, als Ignaz Venetz Kantoningenieur wurde, und ging dann als Ingenieur ins Departement des Hautes-Alpes (Michelet 1965, 88).

Als Céard feststellte, dass die Arbeiten auf der italienischen Seite nur langsam vorankamen, entschied Napoleon im März 1803 von sich aus, die französischen Ingenieure zu ersetzen und italienische mit der Leitung zu beauftragen. Genannt werden die Namen Gianella, Bossi und Viviani (Mermier 1910, 75). Der Grund lag in technischen Schwierigkeiten bei der Gondo-Schlucht, aber auch bei den Konfrontationen unter den Ingenieuren selbst (Lechevalier 2006, 61). Von Bossi und Viviani sind bisher die Lebensdaten nicht bekannt. Carlo Gianella (1778-1863) war ein Tessiner aus Leontica (HLS 5, 396) und studierte bis 1797 in Pavia. Nach seinem Einsatz am Simplon wurde er Chefingenieur im Departement Lario (1806) und machte Karriere in Mailand bis zum Generaldirektor für Tiefbau. Bekannt ist die Bauleitung der Brücke über den Tessin bei Buffalora (1809-28) sowie ein Studienaufenthalt in England (1834).

Wenn in der Zeit zwischen September 1800 und Juli 1801 kein wesentlicher Baufortschritt erzielt wurde, so liegen die Gründe gemäss Michel Lechevalier in verschiedenen Umständen: Krieg in Norditalien mit Neuordnung der dortigen Befestigungen, fehlende Pläne, Gegnerschaft zwischen Genieoffizieren und zivilen Ingenieuren mit zusätzlichen Differenzen in den eigenen Reihen sowie zwischen Franzosen und Italienern, ein militärischer Kommandant ohne Beziehung zu den ausführenden Truppen und die verschiedensten Ansichten der Generäle auf der höchsten Stufe der Hierarchie. Gelöst wurden solche Probleme erst, als Nicolas Céard die alleinige Leitung unter dem Innenministerium übernommen hatte (Lechevalier 2002, 258f).

Der schon mehrfach erwähnte Nicolas Céard gilt als wichtigster Ingenieur beim Bau der neuen Strasse über den Simplon. Was die Urheberschaft des Gesamtplans betrifft, sei die Zuschreibung schwierig, weil das Werk als kollektive Leistung zu beurteilen ist (Lechevalier 2002, 259). Céard wurde 1745 in Arconville bei Clairvaux geboren, besuchte die Schulen in Châtillon-sur-Seine und nach einem Praktikum bei Ingenieur Desfirmin von 1767 bis 1769 die Ecole des Ponts et Chaussées. Erfahrung als Ingenieur erwarb er sich beim Bau des Quai Saint-Clair in Lyon, dann beim Projekt für den Seitenkanal zur Rhone von Versoix bis Seyssel und von 1784 bis 1786 beim Hafenbau von Havre, Honfleur und Cherbourg. Nach seiner Rückkehr in die Provinz Bresse wurde er Chefingenieur von Versoix und 1791 des Departements Ain. Zudem war er von 1790 bis 1792 Bürgermeister von Versoix. Infolge Denunziation emigrierte er 1794 in die Schweiz, wurde aber 1798 nach der französischen Annexion von Genf Chefingenieur des Departements Léman mit Sitz in Genf. Im September 1800 ernannte ihn Napoleon zum Inspektor der Simplon-Strasse und 1801 dann zum Oberbauleiter. Eröffnet wurde sie 1805, ohne dass er anwesend war. Im Zuge der Reorganisation der Ponts et Chaussées bewarb er sich um den Posten eines «Divisions-Ingenieurs» und erhielt ihn 1805 für Lyon, blieb aber weiterhin Inspektor der Fertigstellungen am Simplon. In den folgenden Jahren verfasste er Projekte an der Rhone für Wasserkraft und Brückenbau, bis er 1815 zurücktrat. Geehrt wurde er 1814 als Offizier der Ehrenlegion. Danach lebte er in Herry (Departement Cher), wo er 1821 auf seinem Gut in Chalivoy starb. Zuvor war im Corps de Ponts et Chaussées ein peinlicher Streit ausgebrochen. In Publikationen wurden Céards Verdienste heruntergespielt und jene seiner Untergebenen stark hervorgehoben. Gegen diese Darstellungen hatte sich Céard noch mehrfach wehren können (Tarbé 1884, 70-73).

Zum Schluss

Wie die zahlreichen Biographien zeigen, war Isaac de Rivaz der erste Walliser, der im Wallis den Titel eines Ingenieurs erhielt. Zudem war er ein Politiker, der die Freiheitsbestrebungen seiner Zeit unterstützte, öffentliche Ämter wie jenes des «Ingénieur du pays» übernahm und hervorragende technische Innovationen vollbrachte. Sein Patent von 1807 gilt als erster Verbrennungsmotor auf Explosionsbasis, der zu seinem ersten Automobil mit einem Gaszylinder führte. Andere Ingenieure jener Zeit wurden von benachbarten Kantonen beigezogen oder sie kamen auf Befehl von Napoleon aus Frankreich bzw. Italien zum Bau der neuen Strasse über den Simplonpass. Dabei sei der Tessiner Carlo Gianella aus Leontica nicht vergessen, der üblicherweise unter den Italienern erwähnt wird. Bereits anfangs des 18. Jahrhunderts war Jean-Etienne Amand de Courten als Ingenieur in französischen und spanischen Diensten gestanden.

2.2. 2024 / B.M.

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