Im September 1814 nahm die Eidg. Tagsatzung das bisherige Fürstentum Neuenburg als 21. Kanton auf, ohne dass der preussische König Friedrich Wilhelm III. auf dieses Gebiet verzichten musste. Dieser Doppelstatus als «Eidg. Kanton und preussisches Fürstentum» wurde 1815 vom Wiener Kongress sanktioniert.
Bereits im Mittelalter hatten es die Herren von Neuenburg geschafft, ein Territorium zu bilden, dass ungefähr dem heutigen Kantonsgebiet entspricht. Durch Tod oder Heirat ging ihre Grafschaft an verschiedene Häuser, so 1504 von jenen von Hochberg an das Haus von Orléans-Longueville, worauf Neuenburg ein Fürstentum wurde. Gleichzeitig hatte die Bürgerschaft der Stadt Neuenburg Freiheitsbriefe erhalten. Dies erlaubte ihnen 1406 ein Bündnis mit Bern, die Teilnahme an Kriegen der Eidgenossen und 1530 die Einführung der Reformation, wobei einige Gemeinden beim alten Glauben blieben. Die Fürsten hielten sich nur selten in Neuenburg auf. Sie liessen sich durch einen Gouverneur vertreten. Um ihn bildete sich ein Staatsrat, was der Bürgerschaft politische und wirtschaftliche Freiheiten ermöglichte, aber auch zu Verwaltungsreformen führte.
Nach dem Tod der Herzogin Marie de Nemours war die Erbfolge 1707 neu zu regeln. Das Gericht der Drei Stände von Neuenburg berief König Friedrich I. von Preussen als ihren neuen Fürsten. Frankreich protestierte, doch mit dem Vertrag von Utrecht anerkannten dann die Grossmächte 1713 diesen Übergang an das Haus der Hohenzollern. Abgesehen von einigen Unruhen folgte eine Zeit des Friedens und der wirtschaftlichen Entwicklung. Von den Truppen der französischen Revolution wurde das Gebiet nicht besetzt. So gehörte es weder zur Helvetischen Republik noch wurde daraus ein französisches Departement.
Nach dem Sieg von Austerlitz wurde Napoleon neuer Landesherr, denn er tauschte 1806 das französisch besetzte Hannover gegen verstreuten Besitz der Hohenzollern ein, so auch das Fürstentum. Die Herrschaft überliess er Marschall Louis-Alexandre Berthier (1753-1815). Er war Generalstabschef von Napoleon. In seinem Fürstentum hielt er sich nie auf, sondern setzte François Victor Jean de Lesperut (1772-1848) als Gouverneur ein. Unter ihm wirkte vor allem der Neuenburger George de Rougemont (1758-1824), der sich aber auf diplomatischem Weg für die erwähnte Angliederung des Fürstentums an die Schweiz einsetzte. Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs trat Berthier das Fürstentum gegen eine Pension wieder an den König von Preussen ab.
Für die Zahl der Einwohner gab es anfänglich keine verlässlichen Angaben. In den Gemeinden rechnete man mit der Anzahl an Haushalten. Für die Stadt Neuenburg gibt es Schätzungen, wonach die Stadt im Mittelalter etwa 1’200 bis 1’600 Einwohner gezählt haben soll. Eine erste Zählung, die 1752 auf Anordnung der Kanzlei zu Berlin durchgeführt wurde, ergab 3’666 Einwohner. Im Jahr 1800 waren es 4’000 und 50 Jahre später 7’900 Einwohner. Seit der Reformation gehörten die meisten von ihnen zur protestantischen Konfession (Jelmini 2010, 395). Im ganzen Gebiet lebten anfangs des 18. Jahrhunderts etwa 28’000 Personen, eine Zahl die ab 1750 u.a infolge wirtschaftlichen Aufschwungs auf 48’700 im Jahr 1806 zunahm und 1850 bereits 70’700 betrug (HLS 9, 173).
Politische Organisation
Ausführende Behörde im Fürstentum Neuenburg war die «Quatre-Ministraux», gebildet aus bis zu sieben Mitgliedern des «Conseil général». Teilweise war sie zuständig für die Rechtsprechung. Diese Bezeichnung kommt nur in Neuenburg vor und stammt aus einer Zeit vor der Gewaltentrennung (Jelmini 2010, 415-7). Daneben gab es seit dem 18. Jahrhundert einen «haut gruyer du prince», d.h., einen Beamten, der als Intendant zuständig war für Wald und Gebäude. In dieser Funktion bekannt ist Pierre de Jeanjaquet (um 1650-1713). Er war als Maurer nach Frankreich gezogen, wurde Ingenieur und arbeitete am Hafen von Dünkirchen. Nach einem Dienst in einer Schweizer Kompanie in Lothringen nannte er sich Ingenieur und Architekt des Königs von Frankreich, wirkte 1685-87 in Genf beim Bau der Stadtbefestigung und wurde 1687 «Intendant des forêts et bâtiments» von Neuenburg. Hier verbesserte er den Hafen und erstellte Pläne von Gebäuden. 1695 wurde er von Marie de Nemours geadelt. Dieses Amt hatte später Simon-Gabriel-Everard d’Andrié (1763-1832) inne, und zwar als Forstinspektor (1792-1819) sowie als Bauinspektor (1792-1814).
In der Stadt zuständig war seit 1636 der «Maisonneur», auch Bauherr genannt, was 1822 in die Stelle des Intendanten der städtischen Bauten überging. Seit 1775 gab es eine «Commission des Bâtiments». Ein Tiefbauamt hatte sich ebenfalls herausgebildet, das später zur Stadtverwaltung wurde (INSA 7, 2000, 155-6).
Grossprojekt infolge politischer Spannungen
Bevor Ingenieurprobleme von Neuenburg aufgezeigt werden, sei das fast vergessene Projekt «Henripolis» erwähnt. Es sieht aus wie die Planung eines Ingenieurs und sollte eine neue Stadt am nordöstlichen Ufer des Sees beim Ausfluss in die Zihl entstehen lassen. Die Namen der Projektverfasser sind zwar nicht bekannt, nur jene der Kupferstecher. Entstanden ist es aus einem gespannten Verhältnis zwischen dem katholischen Hof und den protestantischen Bürgern heraus. Als Henri II von Orléans-Longueville (1595-1663) seine Regentschaft als Graf im Alter von 22 Jahren antrat, hatte er die Gefolgschaft nicht gleich gefunden. Bereits 1619 verliess er den Ort. Rachsüchtig wollte er Neuenburg erniedrigen. Er gewann zwei Promotoren aus Basel und St. Gallen für den geplanten Neubau (Jelmini 2010, 358). In Neuenburg vertrat Staatsrat Jean Hory (1573-1656) diese Idee. Ausgefertigt wurde 1626 ein Werbeprospekt, der die neue, nach Henri benannte Stadt als Umschlagsplatz mit Hafen und vielen Annehmlichkeiten anpries. Anzusprechen waren die Kaufleute aus den Niederlanden, Frankreich und Italien mit dem Hinweis auf einen direkten Wasserweg über Rhein, Aare, Zihl, Canal d’Entreroches zu Genfersee und Rhone. Die Ausführung kam nicht zustande. Bern soll in Frankreich dagegen interveniert haben und Jean Hory fiel in Ungnade, u.a. wegen finanziellen Unregelmässigkeiten (Jelmini 2010, 258. HLS 6, 481-2). Henri II aber versöhnte sich mit den Bürgern, denn ab 1643 durfte er sich «Fürst von Neuenburg und Valangin» nennen. Als Freund des Basler Bürgermeisters Rudolf Wettstein hatte er in Münster sogar versucht, aus seinem Fürstentum den 14. Kanton der Eidgenossenschaft zu machen (Jelmini 2010, 358 f).
Der Idee eines direkten Wasserweges stand die Wasserscheide zwischen Neuenburger- und Genfersee im damals bernischen Waadtland entgegen. Bereits 1613 hatte Seigneur d’Etoy, Théodore de Coucault, aus Interesse am Salzhandel der Berner Regierung den Bau eines Kanals in der Ebene von Orbe bis nach Entreroches vorgeschlagen, ohne dass sein Projekt ausgeführt wurde. Er verfügte weiterhin über den Postdienst und war in diplomatischer Mission unterwegs (Pelet 1987). – Bei einer Reise entdeckte der in holländischem Dienst stehende Hugenotte Elie du Plessis-Gouret (1586-1656) die Möglichkeit zur Überwindung mittels eines Kanals, wozu er 1635 das Projekt «Canal d’Entreroches» verfasste und 1637 von Bern die Konzession erhielt. Der Bau wurde 1638 bis 1648 unter der Leitung eines nicht näher bekannten holländischen Ingenieurs Weilgen als Teilstück von Yverdon bis Cossonay realisiert und bis 1829 hauptsächlich für Warentransport betrieben (Vischer 2005. HLS 9, 782).
Naturgefahr des Seyon statt militärischer Bedrohung
Die Stadt Neuenburg hatte sich seit dem Mittelalter vom zentralen Hügel mit Burg (Château) und Stiftskirche (Collégiale) in östlicher Richtung und auf dem Delta des Seyon entwickelt. Sie war mit einer Ringmauer, Türmen und Toren eingefasst, die noch im 15. Jahrhundert ausgebaut wurden. Doch diese Befestigung wurde militärisch nie auf die Probe gestellt, sondern hatte repräsentative und polizeiliche Funktion. Ohne Bedrohung, insbesondere während des Dreissigjährigen Kriegs, gab es keinen Anlass, diese Bauten grundlegend zu modernisieren und dazu Ingenieure als Fachleute beizuziehen. Neuenburg beschränkte sich auf die Reparaturen und tolerierte sogar zweckentfremdete Eingriffe der Anwohner.
Weit grössere Probleme verursachte der Seyon. Dieser Fluss entspringt dem Val de Ruz und bildet im Hang oberhalb von Neuenburg auf dem Talweg eine enge Schlucht. Nach dem Verlassen fliesst er nicht geradeaus in den See, sondern biegt nach links ab in nordöstlicher Richtung. Noch bis ins 19. Jh. gelangte er zwischen Burghügel und Abhang bis zur «Ecluse», um dann nach einem Bogen in südlicher Richtung weiter zu fliessen und von dort in den See münden. Seine Wasserführung war oft gering, aber stark schwankend und konnte bei Starkregen rasch zu Hochwasser führen.
Ursprünglich befand sich die Stadt bis ins Mittelalter auf dem Burghügel. Ab 1200 wurde sie bis ans Ufer des Seyon erstreckt und bereits in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts auch auf die linke, östliche Flussseite erweitert. Brücken verbanden dann die Stadtteile. Die Stadt nutzte das Wasser für ihre Brunnen, für Mühlen und als Vorrat im Brandfall. Berichtet wird von gefährlichen Erdrutschen und Felsstürzen im Oberlauf, was Geschiebe mit Ablagerungen bis in die Flussmündung verursachte und die Brückenwiderlager beeinträchtigte. Hinzu kamen Baumstämme, welche möglichst weitergeleitet wurden. Üblicherweise verordnete man Räumungen und Reparaturen, so gut es ging. Hochwasser mit Überschwemmungen gab es nicht jedes Jahr, so dass diese Gefahr oft vergessen wurde.
Katastrophal hingegen war ein erstes Ereignis im Jahr 1579. Zu beklagen waren 20 Tote, ferner Tiere, Sachschäden an Häusern und Gewerben, an sämtlichen Brücken sowie am Rathaus samt Archiv. Hinzu kam der Ausfall an Ernte und Weinlese, da die Leute mit Räumung beschäftigt waren. Sofort setzte auch Hilfe aus benachbarten Orten ein, sei es durch Geld oder mit Naturalien. Weitere Hochwasser folgten ab 1615, ohne dass aber Massnahmen am Seyon vorgesehen wurden. Nach einem grösseren Hochwasser von 1711 gab der Seyon mehr als 20 Jahre nicht mehr zu reden, bis er am 14. September 1750 ein zweites Mal katastrophal über die Ufer trat. Kaum hatte die Bevölkerung das Nötigste repariert, wurde sie am 3./4. November erneut alarmiert. Die Stadt bildete eine Kommission, welche zwei externe Berater aus Bern beizogen, Major Tillier und Ingenieur Rovéréa, wie es heisst. Beim ersten dürfte es sich um Benjamin Anton Tillier (1709-59) handeln, der zweite war Isaac-Gamaliel Rovéréa (1695-1766). In ihrem Bericht vom 16. November schlugen sie vier Massnahmen zur Reparatur vor. Der Rat entschied, die Frage einer Umleitung auf später zu verschieben, und konzentrierte sich auf die Wasserversorgung der Brunnen und eine Verbesserung des Hafens.
Die Meinung zum weiteren Vorgehen blieben kontrovers. Deshalb beschlossen die Behörden am 8. Februar 1756 erneut, zwei Ingenieure beizuziehen, diesmal Isaac-Gamaliel Rovéréa und Antonio Mirani (1712-1786). In ihrem Bericht vom 23. März empfahlen sie eine Ableitung westlich des Burghügels direkt in den See in zwei Varianten, worin sie auch die betroffenen Landeigentümer bezeichneten. Auf den Aufruf des Rats zu weiteren Meinungen der Bürger gingen Vorschläge zur Beibehaltung und Verbreiterung des bisherigen Laufs ein. Der Rat schloss sich aber dem Vorschlag der Ingenieure an und ersuchte am 18. Dezember um Zustimmung des Königs, während die Bürger stillschweigend an der Reparatur arbeiteten. Von Königshof kam am 11. April und 13. Juni 1757 eine klare Absage. Die heftigen Kontroversen lähmten die Behörden. Als 1781 eine kleinere Überschwemmung erneut Schäden anrichtete, griff der «Quatre-Ministraux» die Frage wieder auf, blieb aber erfolglos. Selbst als der kinderlose Bankier David de Pury (1709-86) sein Vermögen der Stadt für dringende Bauvorhaben vererbte, verzichtete die Kommission auf eine weitere Projektierung. Nach einem Appell an die Bürger zu einem kostengünstigen Projekt ging 1783 ein einziges von Blaise Henrioud ein. Es wurde später abgelehnt. 1817 liessen die Behörden den Flusslauf aufnehmen und unterbreiteten die Situation dem badischen Oberingenieur Johann Gottfried Tulla (1770-1828). Er empfahl die direkte Ableitung von der Schlucht zum See, was nicht weiterverfolgt wurde. Erst als 1821 ein schweres Gewitter niedergegangen war, warnte Jean-Jaques Huguenin (1777-1833) vor weit grösseren Schäden und schlug eine ähnliche Lösung vor wie jene der Ingenieure Rovéréa und Mirani. Er war Artillerieoffizier und stellvertretender Statthalter von Le Locle. Von 1803-05 hatte er die Vollendung des von Johann Samuel Gruner (1766-1824) begonnenen Durchstichs «Col-de-Roches» geleitet, womit das Tal von Le Locle künftig vor weiteren Überschwemmungen des Bied geschützt wurde (Perregaux 1906). Dennoch konzentrierte sich die zuständige Kommission in der Hauptstadt unter dem Einfluss von Joel Matile (1774-1829) vorerst auf den Bau der Strasse «de l’Evole». Erst 1834 wurde die Planung zielgerichtet aufgenommen und 1837-43 schliesslich umgesetzt. Matile war Bürgermeister von Les Brenets, Archivar, ab 1816 erster «Ingénieur des ponts et chaussées» und ab 1819 Staatsrat.
Mit der Ausgestaltung des Mündungsgebiets eng verbunden ist die Lage des Hafens von Neuenburg. Die Anlegestellen wurden der sich verändernden Uferlinie, den Windverhältnissen und den Auflandungen angepasst, ohne dass spezielle Ingenieurleistungen vermerkt sind.
Karten des Fürstentums und geometrische Pläne
Eine erste Karte von Neuenburg ist vom Augustinermönch Père C. Bonjour überliefert. Sie ist 1672/73 den Staatsräten gewidmet und zeigt die «Souveraineté de Neuchâtel et Vallangin» mit Angabe von geographischer Länge und Breite sowie einer kurzen Beschreibung. Zwanzig Jahre später erschien die «Carte géographique de la Souveraineté de Neufchâtel et Vallangin en Suisse» (1694). Verfasser war David-François Merveilleux (1652-1712), damals Maire von Les Brenets. Im selben Jahr veröffentlichte er in zwei Bänden «La parfaite introduction à la Géographie universelle, par une méthode abrégée et très facile». Er entstammte einer bekannten Familie und machte die Ausbildung in Neuenburg. Ab 1695 stand er für England und die Generalstaaten in den Diensten von König Wilhelm III. Möglicherweise nahm er 1695 an der Belagerung von Namur teil, war sonst aber als Ingenieurhauptmann an Festungsbauten tätig. Manchmal wird er mit seinem gleichnamigen Neffen verwechselt, der sich ebenfalls für Kartographie interessiert hatte. Während mehr als 100 Jahren übernahmen dann berühmte Kartenautoren diese Karte von 1694 als Vorlage (Cavelti Hammer 1994, 4).
Geometrische Pläne aufgenommen hat Abraham Guyenet (1693-1777) und zwar in den Jahren 1724 bis 1764 hauptsächlich im Val-de-Travers. Er wirkte als Feldmesser, Einnehmer und Kommissar. Aufgefallen war er durch saubere und präzise Katasterpläne von Les Verrières (1734) und La Côte-aux-Fées (1744), die vor allem steuerlichen und notariellen Zwecken dienten. Weitere sind jene des ehemaligen Priorats Môtiers (1738). Dort konnte er 1749 das Gebäude und seine Umgebung von der preussischen Verwaltung kaufen und liess die Liegenschaft renovieren. Weitere Pläne erstellte er von Rochefort (1764) und Buttes (1771). Sein bedeutendes Werk ist der «Plan de la Grand’Route, dès la Verrière de Joux à la Ville de Neuchâtel», samt Bericht (Kdm NE I 1955, II 1963 und III 1968).
Unter den Werken anderer Geometer beachtet wurde der «Plan géométrique de la Ville et Fauxbourg de Neuchâtel telle qu’elle étoit en MDCCLXXVI». Verfasst hatte ihn David Colin, Kommissar und vereidigter Feldmesser. Er wurde oft benutzt, um die etwas ungenaue Stadtansicht von Jean-Jacques Berthoud (1711-84) von 1769 zu interpretieren, aber auch um die Stadtentwicklung zu erklären. Von Colin sind weitere Arbeiten bekannt, u.a. von der alten Abtei Fontaine-André in La Coudre und von Corcelle sowie von Engollon (Kdm NE II 1963 und III 1968).
Seit Jahren hatten sich in Neuenburg die Dokumente und Pläne zu den Grenzen und Lehensverhältnissen angesammelt, ohne dass sie erschlossen gewesen wären. Dieser Aufgabe nahm sich Jean-Frédéric d’Ostervald (1773-1850) an und legte im Juni 1802 ein umfassendes Register vor. D’Ostervald stammte aus einer einflussreichen Familie. Nach Schulen und kaufmännischer Ausbildung in Frankfurt und Paris trat er auf Vermittlung von George de Rougemont als Adjunkt in die Verwaltung ein. Vorerst hatte er sich aber die fehlenden Kenntnisse in Recht und Geometrie noch anzueignen. So konnte er die Arbeiten der Geometer überwachen und deren Zulassung zum Dienst prüfen. 1796 wurde er stellvertretender Generalkommissar und war von 1800 bis 1811 Generalkommissar des Fürstenturms Neuenburg.
D’Ostervalds Interessen an Vermessung und Kartographie wurden vor allem durch Kontakte zu Johann Georg Tralles (1763-1822) gefördert. Tralles war von 1785 bis 1803 Professor für Mathematik und Physik an der Hohen Schule (Akademie) in Bern. Er hatte für Bern bereits trigonometrische Vermessungen durchgeführt, geriet bei der Mitwirkung am «Atlas de la Suisse» in Streit, verliess Bern 1802 und zog sich nach Neuenburg zu d’Ostervald zurück, bevor er 1804 als Professor nach Berlin berufen wurde. In diesen Jahren hatte d’Ostervald in Neuenburg bereits mit Vermessungen auf eigene Rechnung begonnen. Im Februar 1802 verfasste er einen ausführlichen Bericht mit dem Vorschlag einer einheitlichen Geländeaufnahme, basierend auf einer Triangulation und verfeinert bis ungefähr im Massstab 1:5’000. Sein Kostenvoranschlag wurde am Hof in Berlin nur teilweise angenommen. Trotzdem erzielte d’Ostervald mit seiner «Carte de la Principauté de Neuchâtel levée de 1801 à 1806» einen Erfolg. Sie war im Massstab 1:48’000 aufgenommen, «dédiée Le Prince et Duc», und 1811 im Massstab 1:96’000 gedruckt erschienen (Cavelti Hammer 1994).
Inzwischen unterstand das Fürstentum Napoleons Feldmarschall Berthier bzw. von 1809-13 dessen Gouverneur Lesperut. Die Anordnungen waren aber von Berthier zu genehmigen. Bereits 1801 hatte Napoleon seinem Minister Berthier die Kartierung Norditaliens befohlen und dehnte diesen Auftrag dann auf das Departement Rhin sowie auf die Schweiz aus. Nach französisch-schweizerischen Verhandlungen über ein gemeinsames Vorgehen betreffend Kosten und Personal trafen die französischen Ingenieure im Februar 1803 unter dem Namen Bureau topographique Français en Helvétie in Bern ein. Mit einer Mitwirkung von Tralles als Leiter hatten sie gerechnet, mussten aber feststellen, dass er sich zurückgezogen hatte. Stattdessen wurde das Bureau jetzt vom Franzosen Maurice Henry (1763-1825) geleitet mit dem Auftrag, eine «Carte des cantons suisses» zu erstellen. So bezeichnete Napoleon nun das Gebiet der ehemaligen Helvetischen Republik, entsprechend seinem Diktat der Mediationsakte. Henry hatte sich Kenntnisse in Astronomie erworben, war in Mannheim, St. Petersburg und Berlin tätig gewesen und wurde 1801 Oberst im Dépôt de la Guerre Frankreichs. Nach einem kurzen Einsatz in Bayern übernahm er den Auftrag in der Schweiz mit Arbeitsort Strassburg. Nach 1815 wirkte er an Vermessungen in Frankreich mit (Rickenbacher 2011, 165-7).
Henry hatte in der Schweiz keinen leichten Stand. Es fehlte sowohl an Finanzen wie auch an Personal. Als Ansprechpartner wurde ihm 1803 der Landammann befohlen, doch Louis d’Affry (1743-1810) verwies ihn an die Kantone, um aus deren Vorarbeiten Nutzen zu ziehen. Im Fürstentum Neuenburg versuchte man, die bisher geleisteten Arbeiten zu verkaufen, und bot sie Berthier am 17. Juni 1806 zu einem Preis von 12’000 Franken an. Auf dem Dienstweg erhielt Henry den Befehl, bei d’Ostervald vorzusprechen und dessen Arbeit einzuschätzen. Trotz guter Beurteilung kam es unter dem Druck Frankreichs zu einer Vereinbarung, die den Aufwand von d’Ostervald nur teilweise entschädigte (Rickenbacher 2011, 201f).
Von Henrys Mitarbeitern, die teils nur kurz in seinem Bureau Dienst taten, sind noch zwei zu erwähnen, obwohl sie mit Neuenburg wenig zu tun hatten. Joseph François Delcros (1777-1865) erhielt eine gute Ausbildung bei einem Chefingenieur der Ponts et Chaussées, leistete Militärdienst als Offizier und wurde mit kurzen Unterbrüchen von 1802 bis 1814 im Bureau von Henry eingesetzt. Dann machte er bis zur Pension im Jahre 1834 Vermessungen für die Nouvelle Carte de France. Der Schweiz blieb er verbunden und erhielt 1823 die Ehrenmitgliedschaft der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft. – Der aus Strassburg stammende Johann Heinrich Weiss (1758-1826) wirkte von 1786 bis 1799 mit am «Atlas Suisse», trat dann als Offizier in den französischen Militärdienst ein, wo er 1801 in Bayern zugeteilt war. Dank seiner Kenntnisse der Schweiz wurde er 1802 im Bureau von Henry eingesetzt. Infolge Unstimmigkeiten wurde er 1809 bis 1810 nach Deutschland versetzt, kehrte in die Schweiz zurück und bildete ab 1816 im Dépôt de la Guerre den Nachwuchs aus, bis er 1819 als Oberstleutnant pensioniert wurde. Danach arbeitete er privat als Topograph. Abgesehen von umstrittenen Charaktereigenschaften und geringer Kenntnis der Berechnungen beherrschte Weiss insbesondere die graphischen Methoden seiner Zeit (Rickenbacher 2011, 167-9).
D’Ostervald hatte 1811 sein Amt als Generalkommissar verlassen, um seinem Bruder in Frankreich zu helfen. Später übernahm er in Paris einen Kunstverlag und veröffentlichte Bildbände. Ab 1836 verpflichtete er sich bei Guillaume-Henri Dufour (1787-1875) zur Triangulation im Kanton Genf und setzte sich von 1838 bis 1845 für eine neue Gesamtaufnahme des Kantons Neuenburg ein, die er 1846 der Kartenkommission übergab. Unterstützt wurde er dabei von Charles-Henri Junod (1795-1843), dem späteren Kantonsingenieur, Jonas-Henri Colin und Henri-Louis Otz (1820-1902), später Notar und Katasterführer.
Strassenbau
Im Alter von 71 Jahren übernahm d’Ostervald von der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft den Auftrag zur Herstellung einer Gesamtkarte der Schweiz. In Kupfer gestochen wurde sie in Paris, was er dort persönlich überwachte. Sie enthielt ausdrücklich auch das Strassennetz und erschien ein Monat nach seinem Tod mit dem Titel «Carte topographique et routière de la Suisse et des contrées limitrophes» im Massstab 1:400’000. In welchem Zustand waren Neuenburgs Strassen ein Jahrhundert zuvor?
Für die Strassen des Fürstentums galt im 18. Jahrhundert der Mandement sur la police des routes vom 17. April 1752. Dieser Erlass erneuerte frühere Vorschriften und blieb bis 1827 in Kraft. Demgemäss war der Strassenunterhalt jeder Gemeinde einzeln überbunden. Sie hatte dafür einen Strassenmeister zu bezeichnen und die Arbeiten in Frondienst zu leisten. Verboten war ein Versperren der Wege mit Fahrzeugen oder sonstigen Gegenständen, aber auch ein Beeinträchtigen der öffentlichen Durchfahrt durch Stiegen, Emporen, Prellsteine oder andere Konstruktionen (Courvoisier 1957, 97).
Oft kamen die Gemeinden dieser Pflicht nur teilweise und widerwillig nach. Beklagt wurde der schlechte Zustand, vor allem in Ortsdurchfahrten, die nicht nur verstellt, sondern auch verschmutzt waren. Einige waren knapp 5 m breit, andere kaum 3,6 m, mit schlecht erkennbaren Rändern und kurvenreicher Führung um Hindernisse herum. Eine Entwässerung war nicht eingebaut, so dass oft Erdrutsche eine Reise unterbrachen. Entlang dem Seeufer, bei Regen und besonders bei Schneeschmelze gab es häufig schlammige Abschnitte oder schmutzige Pfützen. Wo sie mehr Gefälle hatten, bremsten die Wagenführer durch Blockieren der hinteren Räder, was tiefe Spurrinnen zur Folge hatte. Andere Steilstrecken wiederum waren so ausgespült, dass sie eher einem Bachbett glichen. Eine solche Fahrt war gefährlich bis gar halsbrecherisch, und zwar nicht nur in den Schluchten. Es gab Reiseberichte, die solche Details erwähnen, während andere, weil bei schönem Wetter verfasst, die Fahrt lobten und die Landschaft rühmten. Ferner gab es zwischen den Dörfern einzelne Pfade, die aber nur von Fussgängern begangen wurden.
Ein Grund für diesen Zustand war die Organisation. Wohl leistete der Souverän manchmal finanzielle Unterstützung, doch die Gemeinden und ihre Strassenmeister waren sich selbst und dem Frondienst ihrer Einwohner überlassen. Die Oberaufsicht lag beim Vertreter des Souveräns, der sich oft nur auf Inspektionsreisen ohne weitere Konsequenzen beschränkt hatte (Guillaume 1867, 85-91). Einer solch schlechten Schilderung, wie sie in anderen Staaten ähnlich aussehen konnte, hielt Gustave de Pury (1820-80) umgehend ein differenzierteres Bild entgegen. Er war der spätere Kantonsingenieur in den Jahren 1843-48. Übertrieben schlecht dargestellt sei der Zustand, denn der Verkehr sei einfacher verlaufen, wie die Beispiele der ab 1750 ausgebauten Abschnitte zeigen. Verschiedene davon wurden vom Staat direkt unterhalten, einige durch die Forstdirektion, andere von direkt bezahlten Strassenwärtern. Ferner gab es Strecken in privatem Besitz mit erschwerten Durchfahrtsrechten und kommunalem Unterhalt. Fortschritte im Strassenbau waren zu verzeichnen, wenn auch nur langsam. In jenen Jahren werden im Strassenbau aber keine Ingenieure genannt (Pury 1867, 172-180).
Es gab fünf Hauptverbindungen: zwei nach Frankreich über Pontarlier bzw. Morteau, eine zur Brücke über die Zihl nach Bern, eine nach Basel über Bugnenets und jene nach Yverdon ins Waadtland. Weitere Wege wie die Verbindungen zwischen den Lagen am See und in den Jurahöhen blieben unterentwickelt. Gegenüber Verbesserungen war die Regierung aus wirtschaftlichen und politischen Gründen sehr zurückhaltend. Selbst als der Durchschlag beim Col-des-Roches begonnen wurde, diente er bei Vollendung ab 1805 vorerst nur der Entwässerung des Gebiets westlich von Le Locle.
Einen Umschwung brachte die Abtretung der preussischen Herrschaft an Frankreich. Prinz und Fürst Berthier setzte 1806 Lesperut als Generalkommissar ein und beförderte ihn 1809 zum Gouverneur. Auf einer Inspektion des Fürstentums hatte Lesperut erkannt, dass das Strassennetz dringend erneuert werden musste, und gab die nötigen Impulse. Vor Ort wirkte allerdings der Neuenburger George de Rougemont als Generalprokurator. Er hatte diesen Umschwung geistig schon seit Jahren vorbereitet, als er nun eine neue Strassenverwaltung vorschlug. Er schuf eine eigene Kommission für den Strassenbau, bestehend aus einem Staatsrat, einem Generaldirektor der Strassen (grand-voyer) und einem Sekretär. Sie tagte regelmässig zwecks Berichterstattung und Festlegung der Prioritäten.
Mitglied dieser Kommission war Joël Matile (1774-1829). Er war Kommissar und vereidigter Feldmesser, Bürgermeister von Les Brenets (1804-29), Staatsarchivar von Neuenburg (1810-25) und Staatsrat ab 1819. Fachliche Beiträge leistete Augustin Bocquillon. Geboren in Auxonne war er ein «Ingenieur des Ponts et Chaussées» aus Frankreich, der sich bereits seit 1794 als Flüchtling im Fürstentum aufhielt. Zwischen 1799 und 1802 zeichnete er Pläne von Collégiale und Château. Zur technischen Verbesserung der Strassen verfasste er verschiedene Berichte (1804). Für einen Ausbau über den Col-des-Roches bei Le Locle sah er grosse Vorteile, die allerdings erst 1850 realisiert wurden. Er lebte in Cressier (NE) und war 1808 vom Kanton Freiburg beauftragt, eine Strasse zwischen Murten und Freiburg zu projektieren (Jelmini 2010, 55). Ferner berichtet er selbst von seinem Bravourstück bei der Belagerung von Lyon. Auf Seite der königlichen Truppen hatte er als Kanonier im September 1793 die Vorbereitungen der Artillerie auf dem gegnerischen Ufer zerstört. Zum Dank wurde er zum Ingenieur-Hauptmann befördert und mit der Reparatur der eigenen Stellungen in Lyon beauftragt (Bocquillon 1840). Mehr ist über sein Wirken nicht bekannt, ausser dass er sich nach dem erneuten Machtwechsel nach Besançon begab (Binsegger 2019, 553). – Obwohl die finanziellen Kompetenzen beim landesfernen Berthier lagen, wurde der Strassenbau in diesen Jahren der französischen Herrschaft grosszügig gefördert. Dies zeigte sich darin, dass nun unter den Gemeinden ein Wetteifer um die besten Strassen begann (Guillaume 1867, 97). Im Jahr 1816 wurde das Amt eines «Ingénieur des Ponts et Chaussées» geschaffen und an Joël Matile übertragen. Dessen Verdienste sind Strassen zum Val-de-Travers.
Die Brücke Alexandre Berthier über die Schlucht in Serrières
Der Wunsch zur Überwindung der Schlucht in Serrières westlich der Hauptstadt ist in den Akten Neuenburgs schon 1765 dokumentiert, denn der Weg führte steil bis zur Mündung des Baches an den See hinunter und entsprechend wieder hinauf. Die Verwirklichung liess aber auf sich warten bis 1786, als die Stadt in den Genuss der Erbschaft von David de Pury gekommen war. Für ein Brückenprojekt wandte sie sich 1789 an den französischen «Ingenieur des Ponts et Chaussées» Nicolas Céard (1745-1821) in Versoix. Er hatte Erfahrung, war 1793 nach Veyey geflüchtet und wurde aufgrund verschiedener Gutachten 1798 zum Chefingenieur des Departements Leman mit Sitz in Genf ernannt. Wegen der stürmischen Ereignisse in Frankreich zögerten die Neuenburger Behörden. Zwischenzeitlich erhielten sie weitere Projekte mit Varianten in Lage und Kosten. Deshalb baten sie 1801 beim helvetischen Generalinspektor für Strassen- und Brückenbau Jean Samuel Guisan (1740-1801) um ein Gutachten. Guisan empfahl das Projekt von Céard. 1806 gelangte das Baugesuch an Berthier, der es im Januar 1807 von Warschau aus genehmigte. Im Mai 1807 traf in Neuenburg zudem ein Brief ein mit der Auflage, dass die neue Brücke den Namen «Pont Alexandre» bekommen sollte. Als Bauleiter wurde im Juli der von Céard empfohlene Inspektor Dusaugey eingesetzt. Die Grundsteinlegung erfolgte im Dezember und die Verkehrsübergabe 1810 nach nur zwei Jahren Bauzeit (Favre 1900, 125-137).
Ingenieure als Fachleute bei Gefahren
Ohne dass hier die Baumeister besonders aufgezeigt wurden, zeigt sich ein breites Spektrum an Fachleuten, die mit technischen Aufgaben beauftragt wurden. Es reicht von Offizieren, die sich im Ausland qualifizierten, über Unternehmer, die Konzessionen erwarben, bis zu Bauleitern, die sich andernorts mit grösseren Bauten einen Namen gemacht hatten. Die Feldmesser legten die Grundlagen zu Karten und zu einem späteren Register des Grundeigentums. Ingenieure wurden in Neuenburg bei zivilen Gefahren beigezogen. Unter französischem Einfluss und auf Betreiben einheimischer Diplomatie wurde für die staatliche Infrastruktur eine effiziente, zivile Verwaltung geschaffen, die im 19. Jahrhundert zum Büro eines Kantonsingenieurs führte.
20.8.2023 / B.M.