Bekannt ist Johannes Ardüser (1585-1665) als Ingenieur der Stadt Zürich und als Verfasser von Schriften zur Architektur. Er stammte aus Davos. Sein Vater war Feldschreiber gewesen, also Sekretär eines militärischen Kommandanten. Über seine Jugendzeit und seinen beruflichen Werdegang ist nicht viel bekannt. Seine Ausbildung soll er im Dienst fremder Kriegsherren und auf ausgedehnten Reisen erhalten haben. 1620 trat er in den Dienst von Zürich und erhielt gleichzeitig das Bürgerrecht. An dieser Stelle blieb er zeitlebens. Vier Jahre später verheiratete er sich mit Elisabeth Ziegler aus einem Zürcher Beamten- und Offiziersgeschlecht. Die Ehe blieb kinderlos, seine Frau starb 1654 (Reinle 1994, 166). Zum Hauptmann ernannt (vermutlich 1633), wurde er 1637 in die Kämbelzunft aufgenommen und 1657 in den Grossen Rat gewählt. Ab 1661 war Hauptmann Beat Rudolf Göldlin (1624-1677) sein Gehilfe. Zu jener Zeit war es für Ingenieure eher die Ausnahme, eine Dienstzeit von 45 Jahren am selben Ort zu erfüllen. Sie steht im politisch-militärischen Spannungsfeld und soll hier näher erläutert werden.
Zürich zu Beginn des 17. Jahrhunderts
In Zürich wurde Johannes Ardüser als Ingenieur «bestallt» aus aktuellem Anlass: der Rat wollte Stadt und Land aufs Beste befestigen und vor feindlichen Einbrüchen beschirmen. Die Stadt war Hauptort des Kantons, der sich 1351 mit der Eidgenossenschaft verbündet hatte. Seit der Reformation war hier das Grossmünster zudem der Sitz des geistlich-religiösen Oberhaupts in der Nachfolge von Ulrich Zwingli. Die Herrschaft lag bei den Zünften, deren Mitglieder mehrheitlich Handwerker waren. Daraus wählten sie einen Kleinen und einen Grossen Rat von insgesamt 212 Ratsherren. An der Spitze stand der Bürgermeister. Die Geschäfte wurden von zahlreichen Kommissionen selbst erledigt oder für den Rat zur Entscheidung vorbereitet. Die Stadtbevölkerung lebte noch innerhalb der mittelalterlichen Mauern mit Türmen und Toren beidseits der Limmat. Gegen den See hin war sie durch Palisaden abgeschirmt. Die Einwohnerzahl betrug im 15. Jahrhundert etwa 5’000 Personen, nahm gegen Ende des 17. Jahrhunderts zu auf etwa 10’000 Personen, war aber zwischenzeitlich durch verschiedene Pestzüge mehrmals stark dezimiert worden.
Während etwa 200 Jahren hatte sich Zürich zu einem Stadtstaat mit einem zusammenhängenden Umland entwickelt. Durch Kauf oder Pfändung von Gütern der Adligen und Geistlichen hatte die Stadt ihr Herrschaftsgebiet kontinuierlich erweitert. Die so gewachsene Gliederung behielt sie bei und übte die erworbenen Hoheitsrechte mittels Vogteien aus. Als nach der Reformation die Klöster aufgehoben wurden, gelangten deren Güter ebenfalls in den Besitz der Stadt und wurden als Klosterämter von Schaffnern verwaltet. Die Staatseinnahmen bestanden hauptsächlich aus Grundzinsen, Zöllen, Zehnten und Abgaben aus dem Salzhandel. Ende des 16. Jahrhunderts betrug die Einwohnerzahl etwa 80’000 Personen, sank infolge Pest um 1630 auf etwa 60’000 und stieg gegen 1680 wieder stark an auf etwa 130’000. Diese Zunahme verlief in den einzelnen Kantonsteilen sehr unterschiedlich.
Innerhalb der Eidgenossenschaft galt Zürich als Vorort, d.h., bei gemeineidgenössischen Geschäften hatte er zur Tagsatzung einzuladen und führte den Vorsitz. Im Übrigen waren die eidgenössischen Orte selbständig, was sich in einer je eigenen Bündnispolitik äusserte. Darin war Zürich im 16. Jahrhundert noch zurückhaltend, änderte dann aber seine Ausrichtung. Wie seine Nachbarn lag es im Spannungsverhältnis zwischen dem französischen König und dem habsburgischen Spanien/Oesterreich, wozu auch das Herzogtum Mailand gehörte. So bildete es 1612 ein Bündnis mit Baden-Durlach, 1614 mit Frankreich und 1615 eine weiteres mit Venedig. Dies geschah gegen den Willen seiner Geistlichkeit. Sie hatte ausserdem – im Unterschied zu den anderen eidgenössischen Orten – bisher jegliche Soldbündnisse abgelehnt. Unter Johann Jakob Breitinger (1575-1645), seit 1613 Pfarrer am Grossmünster und Antistes der Reformierten, änderte sich die Haltung der Geistlichkeit bezüglich des Kriegsgeschehens.
Bedrohungen und Kriegsvorbereitungen
Militärpolitisch bildete der Stadtstaat Zürich ein zusammenhängendes Gebiet, allerdings mit sehr verschieden strukturierten Nachbarn. Im Norden grenzte er an den kleineren Stadtstaat Schaffhausen sowie an verschiedene Herrschaften im Klettgau und im Hegau, wobei Stein am Rhein seit 1484 zu Zürich gehörte. Im Osten lag der Thurgau als Gemeine Herrschaft. An der Grenze im Südosten lagen die ehemalige Grafschaft Toggenburg als Teil der Fürstabtei St. Gallen, das Gasterland als Gemeine Herrschaft von Glarus und Schwyz sowie der zugewandte Ort Rapperswil. Im Süden lagen die Orte Schwyz und Zug, im Westen die Freien Ämter sowie die Grafschaft Baden, beide als Gemeine Herrschaften.
Zürich verfügte über eigene Truppen im Milizsystem. Vorgesehen waren sie zur Verteidigung und für den Fall, dass Bündnispartner Zürichs Hilfe anforderten. Die Aufstellung eines Söldnerheeres war mehrmals vorgeschlagen, aber nie verwirklicht worden. Um 1600 betrug der Bestand etwa 15’000 Mann Infanterie («Fusstruppen»). Ein Drittel davon war für einen Angriffskrieg vorgesehen («Auszug»), die übrigen als Reserve zur Sicherung des Landes, etwa bei einem Überfall («Landwehr»). Eingeteilt und aufgeboten wurden sie gemäss der alten Herrschaftsverhältnisse. Sie standen unter dem Kommando der Amtsleute in den Ämtern und Vogteien. In dieser Struktur war allerdings eine zweckmässige Mobilisierung unmöglich. Der Zürcher Rat beratschlagte deshalb ab 1618 eine Reorganisation (Sigg 1996, 351).
Eine Bedrohung bestand vor dem Hintergrund der konfessionellen Gegensätze, die zum Ausbruch des Dreissigjährigen Krieges führten und Folgen in der unmittelbaren Nachbarschaft hatten. Aussenpolitisch ging es um den Gegensatz zwischen Frankreich und dem Hause Habsburg. Frankreich strebte die Vormacht an. Einem direkten Angriff war Zürich damals nicht ausgesetzt. Es musste aber mit Grenzverletzungen rechnen, wie sie etwa bei einem Durchmarsch fremder Truppen vorgekommen waren. Innenpolitisch sah Zürich die Gefahr eines Glaubenskriegs. Sollte er ausbrechen, so standen die katholischen Inneren Orte (Luzern, Zug, Uri, Schwyz, Unterwalden) und der Abt von St. Gallen den beiden reformierten Städten Bern und Zürich gegenüber.
In dieser angespannten Lage hatten sich Bern und Zürich mit der gegenseitigen Hilfeleistung konkret befasst. In geheimen Absprachen hatten sie geplant, im Ernstfall ihre beiden Heere zu vereinen. Zwischen ihnen lagen die erwähnten Freien Ämter und die Grafschaft Baden. Beide standen als Gemeine Herrschaften unter der Kontrolle der gegnerischen Inneren Orte (Grosjean 1953, 40f. Peter 1907, 16-17). Der Rat von Bern liess das fragliche Gebiet rekognoszieren. Zur technischen Vorbereitung sandte er bereits 1616 seinen Ingenieur Valentin Friderich (vor 1600 – Ende 1640) auf dem Weg durch Luzerner Gebiet der Reuss entlang über Brugg bis nach Zürich. Dort erhielt er ausführliche Instruktionen und bereiste zusammen mit dem Zürcher Ratsherrn Hans Heinrich Thumeisen wieder die Gebiete an der Reuss von Bremgarten nach Cham über Zug und der Sihl entlang bis nach Rapperswil. Das Ergebnis war ein genauer Plan mit Bericht zum Vorgehen, das künftig als «Conjunctionsgeschäft» behandelt wurde. Dieser Plan war nur sehr wenigen Personen bekannt, blieb also praktisch geheim. Erhalten sind die «Charte des Laufs der Rüss» von 1616 in der Schauenburg-Sammlung Nr. 6 [15] und der Bericht (Peter 1907, 133-136).
Die Zürcher Kriegsräte waren sich der genauen Geländekenntnisse bewusst. Sie stellten fest, dass es für die Erhebung in erster Linie Ingenieure brauchte. Im Herbst 1619 setzten sie unter der Leitung von Adrian Ziegler (1584-1654) einen Stab ein. Dazu gehörten Johannes Haller (1573-1621), Hans Jakob Bürkli (1587-1652) als Ingenieure und sechs «Quartiermeister». Ziegler war Chef der Artillerie sowie Apotheker. Im Auftrag des Rats hatte er den Quartiermeistern ihre genauen Aufgaben und die Gebiete («Quartiere») zuzuteilen. In diesem Stab befand sich der 22jährige, begabte Hans Conrad Gyger (1598-1674). Schon im folgenden Jahr lag das Ergebnis vor: der Bericht von Haller und die «Landtafel» von Gyger. Sie hatten nicht nur das Kantonsgebiet, sondern auch die angrenzenden Landschaften der «Bundesgenossen» aufgenommen. So lasse sich im Kriegsfall das Gebiet zwischen Rhein, Bodensee, Aare und Reuss von der Herrschaft Werdenberg bis zur Grafschaft Baden leicht «in ein corpus» zusammenfassen (Peter 1907, 24). Im Bericht schlug Haller neu eine Einteilung in «Militärquartiere» und die Errichtung von Hochwachten vor. Mittels Querverweisen und Verzeichnis erläuterte er die Karte bezüglich zu befestigender Orte, Verkehrswege, Sicherung der Grenzen sowie Flussübergänge. Im Oktober 1620 erhielt er dafür vom Rat «ein Geldgeschenk verehrt». Mit dieser Karte hatte Gyger auf geometrischer Grundlage ein Erstlingswerk geschaffen, dem zahlreiche Arbeiten bis zur grossen Kantonskarte von 1664/67 folgen sollten. Sie machten ihn als Kartograph hervorragend.
Gygers Militärkarte und Hallers Bericht, «Defensional von Haller» genannt, waren die entscheidende Grundlage für die angestrebte Heeresreform. Der Rat nahm 1622 diese Vorschläge wieder auf. Er bestimmte Oberst Hans Jakob Steiner (1576-1625) mit der Durchführung. Haller war 1621 an Krankheit verstorben. Neu wurden nun zehn «Militärquartiere» genau bezeichnet. Anstelle der alten Herrschaften zeigte diese «Quartierordnung» ab 1624 den Sammelplatz der Truppe («Lärmenplatz») mit einem Hauptmann an dessen Spitze (Peter 1907, 31-32). Oberst Steiner hatte sich in fremden Diensten qualifiziert. Nach dem «Veltlinermord» 1620 und dem Abfall des Veltlins von Graubünden zu Hilfe gerufen, hatte er 1’000 Zürcher ins Veltlin geführt (HLS 11, 872). Sie wollten zusammen mit Bernern und Bündnern das verlorene Untertanenland zurückerobern, mussten sich aber erfolglos zurückziehen (Grosjean 1953, 25).
Befestigungspläne und Karten während der Bündner Wirren
Für die Heeresreform unterhielt Zürich Beziehungen zu auswärtigen Kriegsfachleuten. Auf der Seite protestantischer Herrscher stand damals Oberst Bernhard Schaffalitzki von Muggendell (1591-1641) im Dienst. Er hatte seinen Familiensitz in Freudenthal (Württemberg). Schon früh mit höfischem Leben vertraut, war er Offizier und wirkte als Werber, Kommandant und Diplomat, u.a. auch in Venedig. Mit Blick auf das unmittelbare Kriegsgeschehen wollte er mit Zürich ins Geschäft kommen. Anfangs 1620 hatte er dem Rat seine Mitwirkung für Graubünden angeboten. Gleichzeitig empfahl er seinen Ingenieur Johannes Ardüser als Fachmann für Befestigungen. So handelten Bürgermeister und Rat am 1. September mit Ardüser einen «Bestallungsbrief» aus. Am 12. Oktober erklärte sich Schaffalitzki einverstanden, seinen Ingenieur der Stadt zu überlassen, und am 20. Dezember wurde Ardüser das Zürcher Bürgerrecht geschenkt. Schaffalitzki erhielt 1622 in Zürich einen angestrebten Soldvertrag sowie das Bürgerrecht, wurde aber später nicht mehr beauftragt (Reinle 1994, 170-174. Sigg 1996, 352).
Der «Bestallungsbrief» enthielt ausdrücklich die Sorge Zürichs, wie «unsere Stadt und Land aufs bestmögliche befestigt und vor feindlichem Einbruch und Überfall geschützt werden möchte». Damit wird ausgedrückt, dass im Sinne der Heeresreform an das ganze Land gedacht wurde und nicht nur an die Hauptstadt selbst. Ein erstes Projekt von Ardüser betraf Schloss Forstegg in der heutigen Gemeinde Sennwald (St. Galler Rheintal). Zürich hatte 1615 diese Herrschaft den Freiherren von Hohensax abgekauft und einen Landvogt eingesetzt. 1622 entwarf Ardüser die Pläne zur Befestigung, bestehend aus Wall und Graben. Die Ausführung wurde im Juli in Zürich genehmigt und im August unter der Leitung von Landvogt Leonhard Holzhalb im Beisein von Ardüser «verdingt» (durch Vertrag zur Ausführung gebracht). Er selbst war im folgenden Frühling nochmals auf der Baustelle. Die Arbeiten dauerten bis 1626. Somit hatte Zürich einen protestantischen Vorposten auf der linken Rheinseite und konnte sich von dort aus über das Geschehen auf der rechten, gegnerischen Talseite unmittelbar auf dem Laufenden halten. Von besonderem Interesse waren Truppenbewegungen und Warenverkehr (Kaiser 2014).
Weitere Pläne hatte Ardüser zuvor für Befestigungen verfasst, die an den Wegen zu den Bündner Pässen lagen. Bekannt sind jene, welche die Bündner 1622 an der Molinära zwischen Trimmis und Zizers sowie auf der Luziensteig errichtet hatten (SKL 1, 47. Pieth 1935, 12). Von Zürich beurlaubt, hatte er anlässlich des Prättigauer Aufstandes den Prättigauern als Berater beizustehen. Dann entwarf er Befestigungen an der Tardisbrücke und am Fläscherberg (Pieth 1936, 53). Hier befanden sich strategisch wichtige und umkämpfte Orte, sodass solche Bauten im Wechsel eingeebnet und von österreichischen oder französischen Truppen erneut wieder aufgeworfen wurden (Höhener 1993, 88).
In der Hauptstadt begann die Modernisierung der Befestigung im Jahr 1624, was am 10. Oktober erstmals schriftlich fassbar ist. Der Rat hatte die Absicht, die Stadt neu mit einer Anlage ausserhalb der bestehenden Ringmauer zu befestigen. Karl Grunder unterteilt diese Entwicklung in die Phasen Vorarbeiten (1624-1638), Evaluation der Projekte (1638-42) und Ausführung (1642-88). Wie diese Zahlen und später die aufgelaufenen Kosten zeigen, handelte es sich für Zürich um ein Jahrhundertprojekt. Trotz teilweise fehlender Quellen zu den gefassten Beschlüssen bzw. den Bauausführungen sind die Beteiligten namentlich bekannt (Kdm ZH IV 2005, 32-61). Bereits am 9. November 1624 lag ein ausführliches Gutachten vor, verfasst von Adrian Ziegler, Johannes Ardüser und Jakob Bürkli d.J. (1562-1633). Wegen zu hoher Kosten wurde das Vorhaben sistiert und erst 14 Jahre später wieder ernsthaft aufgenommen.
Dennoch wurde die Neubefestigung in Zürich ein Dauerthema. Nach dem Kriegseintritt der Schweden hatte sich 1630 eine Partei gebildet, die zusammen mit den anderen reformierten Orten an der Seite von Schweden gegen die katholischen losschlagen wollte. Unterstützt wurden sie von einem weiteren Militärberater, Oberst Georg von Peblis (1577/78-1650). Auf protestantischer Seite hatte Peblis (aus der Kurpfalz stammend, auch Pöblitz genannt) bereits an vielen Feldzügen teilgenommen. Seit 1629 stand er in Zürich unter Vertrag, um die Heeresreform im Einzelnen anzuleiten. 1632 warnte er aufgrund seiner Kriegserfahrungen, «Zürich solle sich nicht auf die katholischen Eidgenossen, sondern auf eigene Kraft und die evangelischen Orte verlassen» (Sigg 1996, 338). Treibende Kraft für einen Krieg war Zürichs Kirchenvorsteher, Antistes Johann Jakob Breitinger. Ihm gegenüber standen Bürgermeister Johann Heinrich Holzhalb und jene Bürger, die sich nicht in einen Krieg hineinziehen lassen wollten. Ebenso wenig wollten die anderen reformierten Eidgenossen in einen Bürgerkrieg verwickelt werden. Breitinger liess allerdings nicht locker. Auftrieb gab ihm und seiner Kriegspartei 1633 die Belagerung von Konstanz durch die Schweden von Süden her, nachdem sie durch Stein am Rhein in eidgenössisches Territorium gezogen waren.
In dieser Zeit wurde Ardüser an verschiedenen Orten eingesetzt. In der Stadt waren die bestehenden Mauern zu unterhalten. Auf dem Land werden ähnliche Einsätze in Eglisau, Stein am Rhein, Rheinau, Mellingen und Frauenfeld genannt (Brecht 1984). Eine Karte des Veltlins (Wolf 1862) bestätigt, dass er 1625 am Feldzug der Zürcher Truppen unter François Annibal d’Estrées beteiligt war. Er hatte sie auf Wunsch von Oberst Johann Peter Guler (1594-1656) angefertigt (Höhener 1993, 89, 210). Vier Jahre später war Ardüser in Bad Pfäfers, um ein Gutachten zur Verlegung des Badhauses gebeten worden, wie zwei Briefe an Abt Jodocus Höslin belegen (Rothenhäusler 1945). Sonst sind von ihm keine weiteren Hochbauten bekannt.
Der Kriegsverlauf in Graubünden hatte 1631 dazu geführt, dass die österreichischen Truppen die Bündner Pässe räumten und die von ihnen angelegten Befestigungen zerstörten, so auch beim strategisch entscheidenden Punkt bei Landquart. Auf Anordnung des französischen Herzogs Henri du Rohan (1579-1638) sollte dort eine neue Anlage entstehen. Ardüser verfasste die Pläne, die Arbeiten dauerten von 1631 bis 1635. Sie übernahm die Funktion der alten, demolierten «keyserlichen» Rheinschanze und wird heute «Rohanschanze» genannt (Pieth 1936). 1637 musste Herzog Rohan die französischen Truppen aus Graubünden abziehen, Oberst Guler übernahm das Kommando der Rohanschanze. Auf Verlangen der Eidgenossen und schliesslich der Spanier musste er sie 1639 schleifen lassen (Mooser 1933). Einen genauen Aufschluss über das Gebiet zwischen Fläscherberg, Luziensteig und Igis mit den eingezeichneten Hindernissen und Brücken gibt Ardüsers Karte von 1632 (Höhener 1993).
Geometrie als Grundlagen für Festungsbau und Architektur
Offenbar nahm sich Ardüser in jenen Jahren die Zeit für theoretische Werke. 1627 erschien seine «Geometriae Theoricae et Practicae». In zwölf Büchern erklärte er darin die Euklidische Geometrie zum Nutzen vieler Wissenschaften, so der «Bau- und Kriegsverständigen, Feldmessern und andern Kunstliebenden» (1646 zur zweiten Auflage ergänzt). 1651 folgte seine «Architectura von Vestungen». Als einer der ersten verglich er darin die «Manieren» verschiedener Autoren (Thomas Büchi in: Oechslin, Büchi, Pozsgai 2018, 652). Bereits zuvor hatte er für die wohlhabende Familie Werdmüller von 1623 bis 1627 die beiden Söhne Hans Rudolf (1614-1677) und Hans Georg (1616-1678) in Geometrie unterrichtet. Zur weiteren Ausbildung zogen jene nach Genf und Frankreich. Von ihrem Stiefvater Oberst Hans Caspar Schmid (1587-1638) gefördert, hatten sie sich für Vermessung als Grundlage der Kriegskünste wie Artillerie, Festungswerke und Kartographie begeistern lassen.
Im Laufe seines Lebens hatte Ardüser eine Plansammlung angelegt. Die Zeichnungen stammten aus seinen Wanderjahren in Italien und Deutschland. Zum Teil sind es Abzeichnungen aus Baubüros, zum Teil Originale oder eigene Entwürfe. In 182 Bildern zeigen sie Ardüser als Kenner der Architektur weit über den Festungsbau hinaus. Er hatte diese Sammlung 1665 kurz vor seinem Tode der Stadtbibliothek Zürich übergeben (Reinle 1994, 165-359). Bereits 1627 hatte er die Idee geäussert, damit eine «Architectura civilis» herauszugeben, ohne sie dann aber zu realisieren.
Projektierung und Ausführung von Zürichs barocker Stadtbefestigung
Die Belagerung von Nördlingen 1634 und der Sieg der Kaiserlichen war ein Wendepunkt im Dreissigjährigen Krieg. Für die reformierten Orte der Eidgenossenschaft veränderte sich die Bedrohungslage erheblich. Zürich wandte sich 1639 erneut an die Experten Schaffalitzki und Peblis, während Antistes Breitinger auf «Beförderung» der Arbeiten drängte. In einem «Bedenkhen» ermahnte er 1639 die Obrigkeit eindringlich, auf Gott zu vertrauen und die Befestigung in Angriff zu nehmen (Grunder 2003, 15). Weitere qualifizierte Ingenieure legten Projekte vor, taten sich mit Ardüser zusammen oder zeigten Varianten auf und wirkten als Gutachter im Auftrag des Rats. 1640 trat Hans Georg Werdmüller (1616-78) mit zwei eigenen Projekten vor den Rat, der eine Vorprüfung beschloss. Nach einer weiteren Begutachtung wurde 1641 das abgeänderte Projekt Werdmüller zur Ausführung beschlossen, ein Direktionsrat übernahm die Aufsicht (Kdm ZH IV 2005, 37-40). In dieser Phase der Evaluation hatte Ardüser als «bestallter Ingenieur» eine anspruchsvolle Funktion. Er stand zwischen den Forderungen seiner Obrigkeit, den Ansichten seines ehemaligen Schülers Werdmüller aus begüterter Familie und den beigezogenen Fachexperten, wobei er mit seiner eigenen Meinung nicht zurückhielt (Wolf 1862, 31. Reinle 1994, 176).
Im April 1642 erfolgte der erste Spatenstich. Schanzenherr und Bauleiter war Hans Georg Werdmüller. Johannes Ardüser wurde untergeordneter Baumeister und Interims-Schanzenherr bei Werdmüllers Abwesenheit. Daraus resultierte ein schwieriges Verhältnis. Ardüser fühlte sich zurückgesetzt. Er warb weiterhin für seine Lösung, die er als kostengünstiger anpries, was die Bürgerschaft spaltete und wiederholt zum Einstellen der Arbeiten führte. Bürgermeister Salomon Hirzel gelang die Vermittlung, so dass 1646 die Umwallung der rechtsufrigen Gross-Stadt beendet war. Allerdings waren die vorgesehenen 300’000 Gulden aufgebraucht, zur Fortsetzung brauchte es weitere 650’000 Gulden. Zürich beschloss dazu eine Vermögenssteuer (Weisz 1949, Bd. I, 298).
Zur Fortsetzung wurde Werdmüller wegen seiner kostspieligen Pläne angegriffen, weshalb er mehrmals um Entlassung ersuchte. Der Rat wollte ihn behalten, wählte ihn 1648 in den Kleinen Rat und erteilte ihm die Vollmacht. Werdmüller behielt die Oberaufsicht bis 1675 trotz zwischenzeitlicher Abwesenheiten. Die Ausführung erfolgte nach seinen Plänen in Etappen, die vom Direktionsrat nach der militärischen Notwendigkeit und nach den bewilligten Geldtranchen festgelegt wurden. So wurde 1652 bis 1659 praktisch gar nichts gebaut. In dieser Zeit hatte Ardüser den Unterhalt zu besorgen. 1660 hielt er in einem Gutachten fest, wie die angefangenen Arbeiten kriegstauglich zu machen sind (Kdm ZH IV 2005, 48-60). Werdmüller wurde 1651 zum Feldzeugmeister ernannt, erneuerte die Artillerie und beschaffte schwere Kanonen. 1653 befehligte er im Bauernkrieg die Zürcher Artillerie. 1656 leitete er die Belagerung von Rapperswil. 1660 bis 1663 in Zürich beurlaubt, wirkte er als Ingenieur in Heidelberg im Dienst des Kurfürsten von der Pfalz. Bei der Bauleitung war Ardüser ab 1661 von Beat Rudolf Göldlin (1624-77) vertreten worden, der 1665 das Amt das Schanzenherrn antrat.
Sicherung von eidgenössischen und Zürcher Grenzen
Feldbefestigungen an den Grenzen hatte Johannes Haller bereits 1620 vorgeschlagen. Diese Idee wurde später von Johannes Ardüser, Oberst Peblis und Salomon Hirzel unterstützt. Hans Georg Werdmüller erstellte 1643 einen Plan für das bedrohte Stein am Rhein.
Der Druck für weitere Massnahmen kam von eidgenössischer Seite. Ende 1646 waren französische und schwedische Truppen an den Rhein und an den Bodensee vorgerückt. Für Zürich war dies nicht nur eine militärische Bedrohung, sondern auch eine Behinderung des Handels, namentlich der Salzfuhren. Zur Vorberatung trafen sich am 8. Januar 1647 Vertreter der vier Orte Zürich, Luzern, Uri und Schwyz in Zürich. Sie hatten vernommen, dass die Schweden unter General Wrangel am 4. Januar die Stadt Bregenz eingenommen hatten und somit angeblich Zugang ins Tirol und nach Italien besassen. Beschlossen wurde die Bildung eines Kriegsrats der XIII Orte, der sich am 16. Januar in Wil «als dem bequemsten Ort» einfinden sollte. Doch schon am 14. Januar sollten Zürich, Bern, Luzern und Uri «ihre Botschaften nach Baden abordnen und selbige alsdann mit Hauptmann Ardüser, einem in der Fortificationskunst erfahrenen Manne, den Rhein von Coblenz bis zum Ausgang der eidgenössischen gemeinen Herrschaften besichtigen und überall die gebührenden Anordnungen treffen.» Befohlen wurden zudem das Bereithalten für ein «Abwerfen» der Brücken über den Rhein, die Behändigung der Schiffmühlen und den Schutz der Schildwachen für die Alarmierung. Dahinter stand die Absicht aller Beteiligten, «die Pässe nach Nothdurft zu versorgen», d.h., fremden Truppen den Durchmarsch zu verwehren. Für die politischen Fragen wurde eine gemeineidgenössische Tagsatzung und der zugewandten Orte auf Ende Januar in Baden beschlossen mit dem Aufruf an Graubünden zur Einigkeit unter «Beiseitesetzung» ihrer Missverständnisse (Abschiede 1875, 1406-7)
Tatsächlich tagte der Kriegsrat vom 17. bis 31. Januar in Wil (heute Kanton Sankt Gallen). Zusammengekommen waren politische Spitzen der Orte, also Bürgermeister oder Landammann. Ihr wichtigster Beschluss war die Verweigerung des Zutritts fremder Heere auf eidgenössischen Boden, was notfalls «mit gesammter Macht» abzuhalten sei. «Einhellig gutgeheissen» wurde das Projekt zur Besetzung der eidgenössischen Grenzen. Und deutlich lautete der Auftrag: «Landvogt Schweizer, Landammann Wiser und Johann Ardüser, bestellter Ingenieur der Stadt Zürich, sollen beförderlich dem Rhein nach aufwärts bis ins Sarganserland reiten und für die Verwahrung der Pässe ferner das Nothwendige anordnen». Schliesslich wurde das Vorgehen zur Mobilisierung der eigenen Kräfte festgesetzt für den Fall, dass sich «fremdes Kriegsvolk den Grenzen» nähert. Gleichzeitig sandte man Boten mit Briefen ins Lager der schwedischen und französischen Heerführer, um «durch Unterhandlungen die kriegführenden Parteien vom eidgenössischen Boden abzuhalten». Das militärische Ergebnis wurde zusammengefasst im «Rathschlag von Wyl» (Abschiede 1875, 1409-13 und 2255-60).
Bekannt ist dieser «Rathschlag» als Defensionale Wil. Im Vergleich zu früheren Abmachungen zwischen einzelnen Orten ist es die erste gesamteidgenössische Wehrordnung und bildete die Grundlage für Massnahmen bei künftigen Bedrohungen (HLS 3, 606). Trotz der 1647 in Wil gezeigten Einigkeit blieben die Spannungen bei den inneren Angelegenheiten, die binnen zehn Jahren zum Ausbruch kamen (Stüssi-Lauterburg 1999. Stüssi-Lauterburg 2012. Fuhrer 2019). Im Vorfeld des ersten Villmergerkriegs unternahm Hans Georg Werdmüller Massnahmen an der gegen die katholischen Orte exponierten Zürcher Grenze. Er erweiterte die Anlagen bei Maschwanden, Knonau, Hütten, Richterswiler- und Wädenswilerberg sowie bei Bubikon und Regensberg. Neu befestigen liess er das Kloster Kappel, das Schloss Wädenswil und das Kloster Rüti. Er bestückte diese Anlagen mit Artillerie, Munition, Handgranaten und Schanzzeug. Eine Bedingung des Friedensvertrags von 1656 war allerdings, dass sie wieder einzuebnen seien (Weisz 1949, Bd. I, 306-10). Von Ardüser ist schliesslich bekannt, dass er 1659 den Auftrag zur Befestigung des Städtchens Regensberg erhalten hatte, was 1674-89 nach seinen Plänen ausgeführt wurde (Wüthrich 1981).
Offene Fragen
Zwar heisst es, Johannes Ardüser sei als Ingenieur in Zürich im Hinblick auf die geplante Stadtbefestigung angestellt worden. Wie die Beispiele zeigen, hat er aber weit mehr geleistet. Seine Arbeiten reichen von Feldbefestigungen, militärischen Rekognoszierungen mit bautechnischen Anordnungen und Kartierung des Geländes über Architekturtheorie von Festungen mit geometrischen Grundlagen bis zur Abbildung von zeitgenössischer Architektur. Allerdings sind sie bisher noch nicht monographisch dargestellt worden.
Im Rückblick auf das Kriegsgeschehen wurde mit dem Neubau von Zürichs Stadtbefestigung eher spät begonnen. Für dieses «Jahrhundertbauwerk» sieht Karl Grunder nicht nur militärische Gründe, sondern auch städtebauliche Vorteile zugunsten der Stadtbewohner. Ihnen wurde privilegiertes Wohnen innerhalb von Stadtmauern ermöglicht (Grunder 2003). Fraglich ist, ob Ardüser an den Argumenten zu dieser Entwicklung beteiligt war.
Zu überprüfen wären weitere schriftliche Quellen an den genannten Orten des Kantons Zürich. Bei den Feldbefestigungen sind Spuren im Gelände schwierig zu erkennen. So kann z.B. die Frage nicht beantwortet werden, ob einige von Ardüsers Plänen bei Sargans/Landquart die fertigen Bauten oder nur Projekte darstellen (Höhener 1993, 89).
Mit einer Denkschrift hatte Antistes Breitinger 1639 die neue Stadtbefestigung weiter vorangetrieben. Eines seiner Argumente war der Schutz des Zentrums zugunsten der Landbevölkerung, da sie sonst keinen weiteren «festen Ort» habe. Wie dachte Ardüser als Ingenieur über technische Massnahmen an den Grenzen des Kantonsgebiets?
Wenn in Zürich die Stadtbefestigung nach Plänen von Hans Georg Werdmüller zur Ausführung beschlossen wurde und die Arbeiten dann unter der Bauleitung von Ardüser ins Stocken kamen, so ist es bestimmt fraglich, ob Ardüser dabei zweimal vollständig versagt habe (Weisz 1949, Bd. I, 300-1). Jedenfalls hatte er, der nie ein Truppenkommando führte, es nicht leicht in seiner Funktion zwischen den mehr oder weniger ausgewiesenen Experten und den mächtigen Ratsherren. Unbestritten ist sein Beitrag an die erste Wehrordnung der Eidgenossenschaft von 1647, an das «Defensionale» von Wil. Man könnte diese Leistung zusammen mit jener von Johannes Haller bezeichnen als militärische Bautechnik, die an den Grenzen beginnt (Geniedienst zwecks «countermobility»). Ein wichtiges Element dazu – wie auch zur damals neuen Heeresorganisation – sind die Karten der Militärquartiere von Hans Conrad Gyger (Graf 1891. Wyder 2006). Fraglich ist, inwieweit Ardüser dieses Kartenwerk für seine Rekognoszierung kannte und benutzte.
7.7.2022 / B.M.