Erste Ingenieure in Freiburg wegen Vermessung und Festungsbau gefragt

In Freiburg denkt man bei der Frage nach den ersten Ingenieuren spontan an die Hängebrücken aus dem 19. Jahrhundert. Die erste von ihnen trug anfänglich den Namen „Grand Pont“. Sie war in den Jahren 1832-1834 erbaut worden und verschaffte der Stadt einen neuen Zugang aus dem Gebiet von Bern und aus dem weiteren Mittelland. Sie lag 57 m hoch über dem Tal der Saane. Mit einer Spannweite von 273 m hatte Ingenieur Joseph Chaley (1795-1861) damals gleich die grösste der Spannweite der Welt erreicht (Straub 1992, S. 234). Vor ihrem Bau führten die Wege von den hohen, steilen Talflanken hinab zu den drei Brückenstellen aus dem 13. Jahrhundert und auf der anderen Seite ebenso mühsam wieder hinauf. Auf der Saane gab es zudem einen Schiffsverkehr, flussabwärts für Exporte in Richtung Aare-Rhein, flussaufwärts für Lokaltransport. Wären das nicht schon Voraussetzungen genug gewesen für bemerkenswerte Ingenieurleistungen aus früheren Zeiten? Zur Beantwortung braucht es einen Blick auf die städtische und territoriale Entwicklung.

Grand Pont. Hängebrücke, 1832 bis 1832 erbaut von Joseph Chaley, vor dem Abbruch. 1922 bis 1924 ersetzt durch die Zähringerbrücke (SBZ, 21. April 1923, S. 189)

Zur Entwicklung von Stadt und Land

Freiburg im Üechtland ist die Hauptstadt des gleichnamigen Kantons der Schweiz. Gegründet wurde sie in einer Schlaufe der Saane im Jahre 1157 durch die Zähringer. Die ältesten Quartiere du Bourg und die Oberstadt liegen hoch auf einem Felssporn über dem Fluss. Die jüngeren Quartiere de l’Auge und Neuveville sind kleiner und befinden sich unten am linken Flussufer. Sie sind über drei Brücken mit den Quartieren Planche und Forgerons rechts der Saane verbunden. Die Ausdehnung erfolgte in Etappen, dauerte bis ins 15. Jahrhundert und wurde entsprechend befestigt. Diese Anlagen bestehen aus Mauern, Türmen und Toren, die vereinzelt mit Bollwerken verstärkt sind. So präsentiert Freiburg noch heute das Bild einer zusammenhängenden, umschlossenen Altstadt aus dem Mittelalter. Seine zahlreichen Gebäude wie Kirchen, Klöster, Rathäuser und Schulen wurden später ergänzt durch prachtvolle Paläste, Plätze und Brunnen.

Stadt Freiburg: Ausdehnung in Etappen mit Grundriss der Befestigungen, Stand um 1500 (Kdm FR I 1964, S. 39)

Die Herrschaft über Freiburg gelangte von den Zähringern an die Kyburger (1218) und dann an die Habsburger (1277). Damit war die Stadt andauernd in die Auseinandersetzungen mit Bern und Savoyen verwickelt, schloss aber auch Bündnisse mit anderen Städten und Grafen seiner näheren Umgebung. Nach Unstimmigkeiten zwischen Österreich und Savoyen kam Freiburg unter die Herrschaft von Savoyen (1452), unterstützte Bern in den Kriegen gegen den Herzog von Burgund, erhielt die Reichsunmittelbarkeit (1478) und erlangte die Aufnahme in den Bund der Eidgenossen (1481). Bereits zu dieser Zeit hatte Freiburg sein Herrschaftsgebiet ausgedehnt auf die später sogenannte „Alte Landschaft“ sowie auf Montagny und Arconciel. Zudem besass es zusammen mit Bern die Städte Murten, Grandson, Orbe und Echallens als Gemeine Herrschaften.

Als Ort der Eidgenossenschaft beteiligte sich Freiburg an den Feldzügen im Schwabenkrieg (1499), in den Mailänderkriegen (1510-15) und an Allianzen im Welschland. Zur gleichen Zeit wie Bern besetzte es Teile des savoyischen Waadtlands und des Bistums Lausanne (1536). Mit Bern teilte es die verschuldete Grafschaft Greyerz auf (1555), nachdem es zuvor deren Herrschaften Jaun und Corbières gekauft hatte (1502 bzw. 1553). Es verfügte nun über ein grösseres, zusammenhängendes Territorium, das allerdings nicht bis zum Genfersee reichte, sondern beinahe ganz von Bern umschlossen war. Zudem lehnte es in Glaubensfragen die reformierte Lehre ab, wurde zu einem geistigen Zentrum der Gegenreformation und stand nun auf der Seite der katholischen Orte, auch in seiner aussenpolitischen Haltung. Eine Streitfrage blieben Herrschaft und Sitz des Bischofs von Lausanne, die erst 1615 gelöst wurde. In eidgenössischen Konflikten blieb Freiburg neutral, manchmal zurückhaltend oder vermittelnd.

Die Hauptstadt selbst war im 14. Jh. unter der habsburgischen Herrschaft von den Bernern mehrmals angegriffen worden. Darauf verstärkte Freiburg seine Befestigung mit einer vierten Umfassung im Westen der Stadt (1397-1416). Als es 1447 Savoyen den Krieg erklärte, antwortete Bern umgehend mit einer Belagerung. Freiburg erlitt zahlreiche Einbussen, u.a seine Rechte in Grasburg. Es unterhielt aber seine Befestigung und verstärkte sie zeitgemäss durch Bollwerke bei drei Stadttoren. Über diesen Toren brachte es 1452 die Wappen von Savoyen an, die es 1478 gegen jene des Reiches austauschte. Ausser dem Bau eines zusätzlichen Grabens entlang der vierten Stadtmauer und der Anpassung von Schiessscharten wurde die Befestigung nicht wesentlich verändert. Um diese Zeit lebten etwa 6000 Einwohner in der Stadt – eine Zahl, die erst im 19. Jahrhundert wieder zunahm.

Stadtbild des Kupferstechers Martin Martini, 1606 (Musée d’art et d’histoire Fribourg)

Jean Juat dem Stadtbaumeister zugeteilt

Der Bedarf an Ingenieuren kam von militärischer Seite, doch wie sah die Bedrohung damals aus? Die „Stadt und Republik Freiburg“ entwickelte sich ab dem 16. Jahrhundert zu einem absolutistisch regierten Staat mit einem aristokratischen Regime. Ab 1627 lag die Macht in der Hand von privilegierten Bürgern, den „Patriziern“. Die Wirtschaft wurde zunehmend geprägt von der Landwirtschaft mit einer zentralen Verwaltung, doch Handel und Gewerbe blieben auf den Bedarf des Binnenmarkts beschränkt. Eine wesentliche Einkommensquelle waren die Fremden Dienste. Trotz Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft erneuerte Freiburg seine Allianzen mit Spanien, Savoyen und Frankreich, d.h., es gehörte zum Netzwerk der katholischen Länder. So agierte es zwar im Spannungsfeld der grossen Politik, aber einer direkten Bedrohung war es nicht ausgesetzt. Mit einem Angriff von Bern musste es rechnen, aber war ein solches Verhalten des Nachbarn realistisch? In dieser Lage galt die Hauptsorge nicht den Befestigungen. Man war bestrebt, den bestehenden Zustand aus dem 15. Jahrhundert zu erhalten (Kdm FR I 1964, S. 82). Doch sollte er auch modernisiert werden? Wenn ja, mit welchen Mitteln?

Bekannt ist, dass in den Jahren 1625-1628 der Torturm Jaquemart erheblich umgebaut und dass beim Tor der Maigrauge und bei Gotteron die Zinnen repariert wurden. 1634 erhielt Jean Juat (1600-nach 1643) den Auftrag, einen Plan der bestehenden Stadtbefestigung aufzunehmen (Stajessi 1895. Kdm FR I 1964, S. 187). Aus diesem Jahr ist auch ein Plan der Befestigung von Romont erwähnt, der möglicherweise von Juat erstellt worden war. Zuvor hatte er zusammen mit Louis Dupré (dt. Ludwig Zurmatten) eine Karte des Freiburgerlandes angefertigt und sie 1631 dem Schultheissen Jean Reyff übergeben. Es war ein Unikat, das später nicht mehr aufzufinden war (Wolf 1879, S. 35). Bekannt ist ferner eine Vermessung des Burgerwalds von 1633 (Dellion 1886, S. 201-204).

Geboren in Freiburg war Juat mit 12 Jahren ins Kollegium St. Michael eingetreten. Er konnte dann an der Universität von Freiburg in Breisgau studieren, wo er mit einer These in Angewandter Mathematik abschloss. Anschliessend arbeitete er in der Praxis. So schaffte er sich einen guten Ruf in den exakten Wissenschaften und in Architektur. 1631 kehrte in seine Vaterstadt zurück und wurde als Adjunkt dem Stadtbaumeister zugeteilt. Zu diesem Dienst beworben hatte er sich als Fachmann für «Befestigungen, Holz- und Steinwerk, geometrische Planaufnahmen von Landschaften und Städten, Vermessung von Feldern, Wald und Gärten, Bau von Hebemaschinen sowie Pumpen für Brunnen, Be- und Entwässerungen, Platzierung und Einsatz von Geschützen, Unterrichten und Aufzeigen der Materialbeschaffung» (sinngemäss übersetzt aus Dellion 895, S. 202). Mit einer solchen Qualifikation entsprach er den damals aktuellen Anforderungen als Ingenieur, Architekt und Geometer. Deshalb wurde er, dessen Vater aus Estavayer stammte, 1633 ins Bürgerrecht aufgenommen, und zwar wegen des Könnens zur Ehre sowohl seiner Person wie auch des Patriziats selbst. Doch Juat konnte sein Talent nicht entfalten. Bereits nach zwei Jahren bat er um Entlassung. Gerne hätte er auch die einheimische Jugend in seinen Fächern unterrichtet, aber diese wollte oder konnte ihm nicht folgen. Die Behörden gewährten ihm Urlaub, worauf sich leider die Spuren seines späteren Wirkens verlieren.

Für ihre Entwicklung hatte die Stadt innerhalb ihrer Mauern genügend Platz und eine unmittelbare militärische Bedrohung war nicht abzusehen, sodass es ausreichte, die bestehenden Bauten zu unterhalten. 1646 berichtete Jean-François Reyff (um 1614-1673) über deren Zustand. Reyff war von 1645-60 Stadtbaumeister und von 1660-65 Landvogt in Schwarzenburg. Für die Hauptstadt erstellte er 1650 einen Gesamtplan zur Verbesserung der Stadtbefestigung, den der Rat als meisterhaft befand. Während seiner Amtszeit liess er zahlreiche Vorhaben ausführen, so den Neubau des Mückenturms (1653), Verstärkungen der Tore Stalden, Grand-Fontaine und Court-Chemin sowie der bestehenden Gräben vor den Mauern (1656).

Jean-François Reyff selbst war Bildhauer, war Mitglied des Grossen Rats (ab 1637) und leitete die familieneigene Werkstatt. Seine Meisterwerke sind Kirchen und Altäre im ganzen Kantonsgebiet. Im Hinblick auf die Befestigung hielt er sich an die finanziellen Möglichkeiten der Stadt mit der Mahnung, den Unterhalt nicht zu vernachlässigen. Seine Eingriffe sind Anpassungen der bestehenden Bauten, ausgeführt von örtlichen Bauleitern. Genannt wird Ingenieur Louis Brunet. Er war aus Paris zurückgekehrt und leitete ab 1660 die Verstärkungen, welche beträchtliche Summen kosteten (HBLS II, S. 316 im Widerspruch zu Kdm FR I 1964, S. 188). 

Im benachbarten Solothurn war Ingenieur Francesco Polatta (1608-nach 1685) für den Bau der Stadtbefestigung tätig (Schubiger 1999, S. 203-204). Anlässlich seines Besuchs von 1670 wurde er um einen Zustandsbericht zu Freiburg ersucht, das ihm schon seit 1660 bekannt war, ohne dass er damals schon eingegriffen hätte (Morgan 1995, S. 270). Daraus ersichtlich ist die Verstärkung von Plätzen, insbesondere des Tors zu Romont. Es hatte ein neues Bollwerk erhalten dank einer Zuwendung von Papst Alexander VII. und zwar ausdrücklich für diesen Zweck (1662). Ob Polatta an die letzten Pläne von Reyff noch selbst etwas beigetragen hat, ist nicht genau bekannt (Kdm FR I 1964, S. 188. Morgan 1995, 270. Stajessi 1895).

Nach dem Ausgang des ersten Villmergerkriegs (1656) konnten die konfessionellen Spannungen innerhalb der Eidgenossenschaft nicht beigelegt werden. Es gab mehr als blosse Streitigkeiten von souveränen Orten untereinander, denn es ging um politische Vorherrschaft. Ihr Bündnis kam zwar an den gemeineidgenössischen Tagsatzungen zum Ausdruck, aber über ein gemeinsames Vorgehen wurde rein pragmatisch entschieden. Die konfessionelle Spaltung hatte dazu geführt, dass sich die evangelischen und katholischen Orte oft getrennt trafen. Ihre Beratungen, insbesondere die Details ihrer Kriegsvorbereitungen hielten sie geheim.

Pierre Sevin soll «à la Vauban» planen

Anlass zum zweiten Villmergerkrieg (1712) waren die Verhältnisse im Toggenburg. Das Gebiet gehörte dem Fürstabt von Sankt Gallen, war aber mehrheitlich reformiert. Zur direkten Verbindung mit der katholischen, inneren Schweiz liess der Abt eine Strasse über den Hummelwald (in der Nähe des heutigen Rickenpasses) bauen, was Zürich und Bern zur Unterstützung der Toggenburger in ihrem Widerstand reizte. Gleichzeitig suchten diese beiden Orte ihre direkte Verbindung untereinander, denn zwischen ihnen lagen die Gemeinen Herrschaften des Freiamts und der Grafschaft Baden. Wie 1656 kam es hier an mehreren Orten zu blutigen Kämpfen, welche diesmal zugunsten von Zürich und Bern ausgingen.

Freiburg gehörte zu den katholischen Orten. Wiederholt wurde das Vorgehen im Fall einer kriegerischen Auseinandersetzung bis in alle Einzelheiten beraten. So hiess es 1695 in den Beschlüssen der drei Städte Luzern, Freiburg und Solothurn vom 16. Dezember unter anderem: «Den Obrigkeiten von Luzern und Freiburg wird dringend empfohlen, auf die Anlegung des einen oder anderen festen Werks zum Schutze ihrer offenen Hauptstädte zu denken; namentlich soll dies in Freiburg erwogen werden.» (Segesser 1882, S. 599). Nur Solothurn hatte eine als genügend bewertete Befestigung. Doch am gefährlichsten beurteilt wurde nicht eine Belagerung, sondern ein Überfall im Handstreich.

Pierre Sevin: erstes Projekt von 1696 «Plan du Fribourg où les lignes jaunes marquent les ouvrages neves» (Farbbild aus Viganò 2007)

Der Rat von Freiburg beauftragte umgehend Ingenieur Pierre Sevin (um1670 – um1729) mit Plänen «à la Vauban», aber gebaut wurde nichts. Vier Jahre später erklärte Freiburg an der Konferenz mit Solothurn und Luzern, «dass die Befestigung der ganzen Stadt eine Unmöglichkeit sei; es müsse sich begnügen, die Burg durch Abschnitte und Erdwerke, mit denen nächstens begonnen werde, zu verstärken» (Segesser 1882, S. 803). Hauptanliegen der einzelnen Orte – der katholischen wie der evangelischen – war ihre gesicherte Verbindung. So wurde Solothurn 1706 ersucht, mit der Befestigung der Stadt Olten fortzufahren, während Luzern die Stadt Sursee verstärken sollte. Wiederum konnte Freiburg noch kein befriedigendes Konzept vorweisen. 1709 wurde ihm empfohlen, die Befestigungen so anzulegen, dass die Kosten tragbar seien und dass es noch genügend Truppen frei zur Verteidigung im Feld habe. Freiburg antwortete, «diese Frage werde wirklich gegenwärtig studiert» (Segesser 1882, S. 1568).

Der beauftragte Pierre Sevin war um 1692 bis 1694 Mitglied des «Corps royal des fortificateurs» in Paris und wurde 1695 in Freiburg eingebürgert. Hier begann er 1696 mit geometrischen Aufnahmen der bestehenden Anlagen und machte zwei Pläne für den Ausbau. Als Geometer erstellte er zivile Pläne von verschiedenen Orten im Kanton, namentlich von Surpierre und Illens (1697-1709). Für die Stadtbefestigung verfasste er 1709, zusammen mit Ingenieur Jean Fortier (um 1660-1728), zwei weitere Pläne. Nach dem Krieg führte er in Freiburg eine Schule für Geometer und möglicherweise für Festungsbau (1712-29).

Pierre Sevin (und Jean Fortier ?): «Plan géométrique des places et de la porte de Morat avec les projectes des fortifications» von 1709 (Farbbild aus Viganò 2007)

Auf Empfehlung der Tagsatzung hatte der Rat Ende 1709 den bekannten Tessiner Ingenieur Pietro Morettini (1660-1737) in die Hauptstadt geholt. Er sollte Freiburgs Verteidigung beurteilen und ergänzen. Sein Plan von 1710 ist noch greifbar, nicht aber sein Bericht (Kdm FR I 1964, S. 191. Viganò 2007).

Mehr als Studien und Pläne sind also aus diesen Jahren nicht vorhanden. Der Kunsthistoriker Stuart Morgan hatte sie 1995 verglichen und kam zum Schluss, dass die Behörden in Freiburg bei geteilter Meinung verharrten. Die einen wollten eine moderne Anlage mit Bastionen, die andern hielten an den verstärkten Ringmauern des Mittelalters fest (Morgan 1995). Zu einer Bewährung im Ernstfall war es nach dem Kriegsausbruch von 1712 nicht gekommen. Ein entscheidender Angriff auf die Stadt hatte nicht stattgefunden, da Kriege anderswo ausgetragen wurden. Dasselbe gilt für die Lage in den freiburgischen Landstädten Murten, Estavayer und Romont.

Kartographie aus zivilem Interesse

Bemerkenswert ist die Entstehung der ersten Freiburger Kantonskarten. Jene von 1631, für welche Jean Juat als Geometer das Berggebiet bearbeitet hatte, war von den Gnädigen Herren ehrenhalber ihrem Schultheissen Jean Reyff übergeben worden, der sie in seinem Haus aufgehängt habe. Aus militärischen Gründen war sie ein Unikat, hatte aber – soweit bekannt – keine weitere militärische Verwendung. Der Rat interessierte sich auch später nicht gross für eine Kantonskarte. Die erste gedruckte Kantonskarte stammt von François-Pierre Vonderweid (um 1614-1688). Er gehörte zu den wichtigsten Magistraten des Kantons, denn er gelangte bis in den Kleinrat (1659-88), die höchste politische Behörde. Zudem war er in den Jahren 1659-73 Generalkommissar (Maggetti 2017). In dieser Stellung war er zuständig für die Rechtssprechung an den Grundherrschaften und für die Zehnten sowie für die Vermessung und Archive des ganzen Kantons. Zuvor hatte er bereits als Vogt von Stäffis am See (1652-57) zahlreiche Zehntenpläne eigenhändig geometrisch aufgenommen. Gestützt auf diese Kenntnisse gab er 1668 eine Kantonskarte im Massstab von ca. 1:105’000 bis 1:120’000. Für den Druck liess er Kupferplatten herstellen, die im Eigentum der Familie verblieben, denn er hatte als Privatmann ohne Auftrag der Regierung gehandelt. Die Karte zeigt zwar keine Strassen, enthält aber die genauen Lagen von Orten, Brücken und Gewässern, wie dies spätere Kartographen bestätigten (Maggetti 2020). Trotz solch militärisch relevanter Angaben zum Nutzen fremder Heere wurde sie nicht geheim gehalten. Dies scheint merkwürdig, denn das Geheimhalten ist eine Frage, die anderswo bei Vermessungsarbeiten immer mitlief.

Heute zeigt Freiburg seine Altstadt als einzigartiges Ganzes aus dem Mittelalter. Einen entscheidenden Beitrag an diesen Eindruck leistet seine intakte Stadtbefestigung der mittelalterlichen Baumeister. In solchen Fällen ist es nicht erstaunlich, dass die Frage nach den ersten Ingenieuren fast ins Leere läuft. Jean Juat und Pierre Sevin machen überraschende Ausnahmen. Möglicherweise waren im 17. Jahrhundert noch weitere Personen im Gespräch, weil sie einen guten Ruf hatten und vielleicht beratend waren, nur wissen wir vermutlich nichts von ihnen. Die militärische, politische und geographische Lage hatte dazu geführt, dass Freiburg im Ancien régime eher isoliert war. Umso hervorragender ist die Leistung von Joseph Chaley, der mit seiner Hängebrücke für Freiburg den Sprung in die moderne Schweiz schaffte. Von den Eisenbahnen abgesehen sei auf einen späteren Meilenstein in der Technikgeschichte hingewiesen. Ingenieur Guillaume Ritter (1835-1912) staute die Saane in Freiburg und leitete die Energie aus Wasserkraft über Seiltransmissionen zu den Abnehmern mit ihren Kleinmaschinen (1869-72). Zudem förderte er mit demselben Werk Wasser über eine Hauptleitung zum Reservoir der städtischen Wasserversorgung. Damit hatte er nach Heinrich Moser in Schaffhausen (1863) das zweite Grosskraftwerk der Schweiz gebaut (Schnitter 1992, S. 148-149). Für die bis zu 21m hohe Staumauer verwendete er Beton als Baustoff, weshalb sie als erste Betonstaumauer in Europa gilt. Dieses Projekt bildete den Kern seiner Visionen zur industriellen und städtischen Entwicklung.

2.8.21 / B.M.

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