Als sich Basel und Schaffhausen im Jahre 1501 nach dem Schwabenkrieg mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft verbündeten, hatten beide Städte eine geschlossene, mittelalterliche Befestigung aus Mauern, Türmen und Gräben. Gegen Eindringlinge mag dieser Schutz der Bürger ausreichend gewesen sein, doch als Folge der Entwicklung bei der Artillerie war ihr militärischer Wert laufend zu überprüfen. Gleichzeitig konnte ein Neubau zu einer allfälligen Erweiterung des Stadtgebiets benutzt werden.
Das neue Bündnis und die Lage am nördlichen, rechten Ufer des Rheins machte Schaffhausen zu einem exponierten Ort. Die Stadt verstärkte deshalb ihre Befestigung, indem sie die bestehenden Türme mit vorgelagerten Bollwerken ergänzte. Genannt werden das Bollwerk beim Schwabentor (1555), jenes beim Mühlentor (1592), die Vorwerke beim Schwabentor (1608), die Verbesserung des Schmiedentörleins (1616) und schliesslich das Bollwerk beim Obertor (1638). In den Jahren 1563-85 baute die Stadt an der Stelle der ehemaligen Hochwacht Emmersberg eine Rundumfestung, den Munot. Militärisch war dieses Werk schon damals nicht auf dem neusten Stand, aber es erwies sich als imponierendes Wahrzeichen, das es auch heute noch ist. Die technische Leitung hatte Baumeister Heinrich Schwarz (1526-93) inne.
In jenem Jahrhundert wuchs die Stadt von etwa 3‘500 auf 6‘000 Einwohner. Als Stadtstaat erwarb sie einen Grossteil des heutigen Kantonsgebiets. Sie war nun umgeben von habsburg-österreichischen oder württembergischen Nachbarn und nur über eine Brücke mit der Eidgenossenschaft verbunden. Der Rhein war eine bedeutende Wasserstrasse, doch der nahe Rheinfall war unpassierbar und machte die Stadt zu einem Umschlagplatz. Nach religiösen Turbulenzen hatte sie sich ab 1529 zum reformierten Glauben bekannt. Damit war sie einer veränderten Bedrohung ausgesetzt. An den Eidg. Tagsatzungen kamen Fragen der Verteidigung zunehmend nach Konfession getrennt zur Sprache. So trafen sich Schaffhausen zusammen mit Zürich, Bern und Basel zu den „Conferenzen der IV evangelischen Orte“, wo auch die Befestigung gemeinsam beraten wurde.
Im Jahr 1604 trat Heinrich Schwarz das Amt des Bürgermeisters an. Er galt als geachteter, tatkräftiger Magistrat, der Reformen in allen wichtigen Aufgaben des Staates einleitete. Zu nennen sind Verwaltung, Finanzen, Schulen, Armenfürsorge und die Bereitschaft zur militärischen Verteidigung. Er war der Sohn des oben genannten, gleichnamigen Baumeisters des Munot. 1562 geboren besuchte er die Lateinschule in Schaffhausen und ging für das Jura-Studium an ausländische Universitäten. Nach seiner Rückkehr wurde er Stadtschreiber, später Zunftmeister und Obervogt. Dazwischen wirkte er bei verschiedenen diplomatischen Missionen auf eidgenössischer Ebene. Er war verheiratet und hatte drei Kinder. Verstorben ist er im September 1629 an der Pest.
Von Interesse ist hier das „Gehaimb Kriegsbuch“. Es ist eine Sammlung von militärischen Anordnungen, die den Willen zur Wehrbereitschaft von Stadt und Land bezeugen. Begonnen wurde es 1627 von Heinrich Schwarz und dann bis 1646 massgeblich weitergeführt vom späteren Bürgermeister Hans Caspar Lang (1571-1645). Lang hatte zuvor schon verschiedene Ämter, war Obrist-Wachtmeister (1628-32) und ist bekannt als Glasmaler. Erhalten sind von ihm zahlreiche Zeichnungen, von denen einige als Vorlagen der Glasscheiben und als Buchillustrationen dienten. Im Kriegsbuch aufgeführt sind die Zahl der Wehrpflichtigen, ihre Ausrüstung und Bewaffnung. Sodann zeigt es die Organisation der Mannschaft, die Chargen und ihre Besoldung. Wir erhalten Auskunft über die Alarmorganisation und über die Ausbildung (das Exerzieren) sowie zeitgemässe Einschätzungen der Befestigung.
In diesem Kriegsbuch festzustellen sind Einflüsse der „Oranischen Heeresreform“, so bezeichnet nach ihren Urhebern in den Niederlanden. Die Grafen des Hauses Nassau-Oranien hatten eine neue Heeresordnung geschaffen, die sich rasch in den Heeren anderer Staaten auswirkten. Ihre geänderte Kriegsführung sowie die technischen Fortschritte der Artillerie und der Feuerwaffen, verlangten nach einer militärischen Bewertung der Stadtbefestigung, auch in Schaffhausen. Gefragt war die Meinung von Experten. Der Rat gelangte deshalb an nahestehende Ingenieure und liess bei ihnen Gutachten mit Vorschlägen zur Verbesserung erstellen.
Als erster traf Claude Flamand in Schaffhausen ein. Er stand seit 1597 im Dienst von Herzog Ludwig Friedrich von Württemberg, der in Mömpelgard (Montbéliard) residierte. Gemäss seinem Gutachten von 1622 sollten bestehende Bollwerke und Gräben modifiziert werden. Am gefährlichsten sei ein feindlicher Überfall im Handstreich, weshalb er zusätzliche Schanzen vorschlug. Ein Jahr später folgte Johannes Ardüser, gemeinsam mit Hans Jakob Zörnlin. Ardüser war 1620 als Ingenieur von Zürich bestallt worden. Zörnlin hatte Erfahrungen aus Kriegsdiensten in Venedig und wurde 1623 Stadthauptmann in St. Gallen. Beide folgten dem Gutachten von Flamand, betonten aber den Bau von Stützpunkten ausserhalb der Stadt und deren Verbindungen durch Wälle und Gräben. Viel wichtiger sei es, den Feind von den Höhen aus aufzuhalten als ihn an die Mauern und Tore auflaufen zu lassen. Zörnlin reichte ein weiteres Gutachten nach, worin er die Befestigung auf den umliegenden Höhen dringend empfahl und zusätzlich eine Schanze auf dem südlichen, linken Rheinufer vorschlug. Es war bisher unbefestigt.
Ausgeführt wurde keines dieser Projekte. Stattdessen wollte Nathan d’Aubigné die beschränkten Mittel der Stadt berücksichtigen. Als Genfer hatte er zusammen mit seinem Vater Théodore bereits in Basel ein Gutachten erstellt. 1628 schlug er vor, Schaffhausen rings um die Stadt mit blossem Erdwall und Graben zu umgeben, der örtlich mit einer Schanze zu verstärken war. Dies sei mit wenigen Leuten und ohne Fachkenntnis auszuführen. Anders sah es Wolf Friedrich Löscher. Er war von 1627 bis 1634 Kommandant der Festung Hohentwiel, etwa 16 km nordöstlich von Schaffhausen gelegen. 1629 warnt er erneut vor dem plötzlichen Überfall als Hauptgefahr und beschränkt sich auf zusätzliche sechs Bollwerke bei den Toren sowie Palissaden im Flussbett. Aussenwerke seien erst bei Bedarf zu errichten. Zudem macht er Angaben zur erforderlichen Artillerie. 1635 wird Löscher in Schaffhausen „bestallt“. In einem weiteren Gutachten weist er auf die bekannten Schwächen hin, worauf die Stadt mit dem Bau eines Ravelins vor dem Schwabentor beginnt. 1637 wird Löscher in der Stadt Bern „bestallt“.
Im Tagebuch nicht erwähnt ist Johannes Faulhaber, der Ende 1628 in Konkurrenz zu Löscher viel aufwendigere Baumassnahmen vorgeschlagen hatte. Obwohl er dann im Februar 1629 seinen Vorschlag radikal abänderte, wurde er vom Rat nicht beauftragt.
Ein weiteres Gutachten holt Schaffhausen 1638 bei Jean-Jaques Deserres du Pradel ein, der 1638 im Dienst von Zürich und Bern stand. Nach seiner Meinung könne man aus dieser Stadt eine vorzügliche Festung machen. Dazu sei eine Verstärkung der bestehenden Anlagen genügend.
Ein letztes Gutachten samt Kostenberechnung erstellte Johann Georg Werdmüller im Jahr 1646. Er leitete den Neubau, den Zürich 1642 gemäss Projekt von Johannes Ardüser begonnen hatte. Für Schaffhausen schlug er fünf weitere Bollwerke, zwei Bastionen und zwei halbe Hornwerke vor. Nach langen Beratungen entschied der Rat im Jahre 1648, die Angelegenheit Festungsbau „einstweilen“ auf sich beruhen zu lassen.
Jürg Zimmermann hat 1965 das Kriegsbuch von 1627 ausgewertet und die Arbeiten dieser namhaften Experten 1975 kommentiert. Er kommt zum Schluss, dass ihre Vorschläge nicht verwirklicht wurden, weil man die hohen Kosten scheute und weil von betroffenen Grundstückbesitzern ein starker Widerstand erwartet wurde. Ferner wurde bezweifelt, dass die Stadt genügend Mannschaft auf eine ausgebaute Befestigung hätte stellen können. Während in Zürich vor allem der Kirchenvorsteher seine Bürger zum Festungsbau anspornte, sind in Schaffhausen ähnliche Bestrebungen der Geistlichkeit nicht bekannt. Selbst die Grenzverletzungen der schwedischen und kaiserlichen Truppen ab 1633 und die starken Plünderungen in den nahe gelegenen Dörfern konnten die Bürger nicht zum Ausbau bewegen. Zu Bedenken ist auch, dass die Stadt in den Jahren 1611, 1629 und 1635 von der Pest heimgesucht wurde. Die Bevölkerung zählte 1640 nur noch etwa 3650 Personen.
Wiederholt hatten Rat und Bürger also den Wert ihrer Stadtbefestigung neu beurteilen lassen. Mit den eingeholten Gutachten zeigten sie, dass sie ihre Wehrbereitschaft nicht vernachlässigten. Mit dem Verzicht auf einen Ausbau zeigten sie aber auch, dass sie die eigenen Kräfte realistisch einschätzten. Im Hinblick auf die Ingenieure andererseits ist heute jedes Gutachten ein wertvolles Zeugnis im Werkverzeichnis seines Verfassers.