Dufour als Ingenieur

Bekannt ist Guillaume-Henri Dufour als General im Krieg gegen den Sonderbund. Von der Tagsatzung am 21. Oktober 1847 gewählt führte er die Eidg. Truppen gegen jene der sieben Kantone Luzern, Zug, Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden, Freiburg und Wallis. Mit sechs Divisionen hatte er nach nur 25 Tagen und etwas über 100 Toten militärisch gesiegt. Nachdem die sieben Kantone einzeln kapitulierten, war ihr Sonderbund am 29. November aufgelöst, ohne dass das Ausland interveniert hatte.

Der Sonderbundskrieg war eine Folge früherer Spannungen im In- und Ausland. Bereits dreimal war es so kritisch, dass die Tagsatzung Truppen aufbot. Sie hatte nach der Julirevolution in Paris am 28. Dezember 1830 Charles-Jules Guiguer de Prangins zum General ernannt. Mit Aufgeboten von kantonalen Kontingenten und Feldbefestigungen zeigte er den Willen der Schweiz zur Aufrechterhaltung von Neutralität und Unabhängigkeit. Unter ihm wurden 1838 erneut vier Divisionen aufgeboten. Es war die Antwort auf den Druck Frankreichs, das die Ausweisung von Louis Bonaparte verlangte. Er war Napoleons Neffe, der von der Schweiz aus agierte, um das Kaisertum wieder zu errichten. Und sieben Jahre später erweckten die beiden Freischarenzüge den Eindruck von Anarchie in der Schweiz. General Peter Ludwig von Donatz konnte mit seinen Truppen vor Luzern die fremde Einmischung und einen Krieg verhindern. Beide Oberbefehlshaber hatten zuvor bis 1830 in Frankreich gedient. In dieser Zeit wurde Dufour zum Chef der Eidg. Generalstabsabteilung (1831) und dann zum Oberstquartiermeister (1832) ernannt. Doch damals hatte er bereits eine bemerkenswerte Leistung als Ingenieur erbracht. Sie sei mit diesem Beitrag hervorgehoben.

Die Eltern von Dufour stammten aus Genf. Sie hatten diese Stadt 1782 anlässlich der Wirren verlassen und wollten zusammen mit anderen Flüchtlingen in Irland eine Uhrenindustrie aufbauen. Nach dem Misslingen zogen sie mit derselben Absicht nach Konstanz. Dort wurde Guillaume-Henri 1787 geboren. Zwei Jahre später konnten sie nach Genf zurückkehren, wo ihr Sohn die Schulen besuchte. 1798 wurde die Stadt von Frankreich annektiert und zum Sitz der Präfektur des Departements Léman gemacht. Auf Anregung seiner Lehrer bestand Dufour 1807 die Aufnahmeprüfung an die Ecole Polytechnique in Paris. Nach seiner Promotion entschied er sich für die Militärschule in Metz (Ecole d’application de l’artillerie et du génie). Als Genie-Leutnant leistete er ab 1811 Dienst in der französischen Armee und wurde nach Korfu zu Major Baudrand abkommandiert. Er gerät in eine Konfrontation mit den Engländern, wird verletzt und für kurze Zeit gefangen genommen. Inzwischen Hauptmann kommandiert er 1814 einen Festungsbau in Grenoble. Im März 1815 wird er nach Lyon entsandt, wo er mit Festungsbauten beginnt und im Juni die Nachricht von Waterloo vernimmt. Als Genfer und Franzose kehrt er zu den Eltern zurück. Stadt und Republik Genf sind auf dem Weg zu einem neu zu bildenden Kanton der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Dufour bezieht noch einen Halbsold von Frankreich, aber er zweifelt an seiner Zukunft. Er ist ohne Vermögen, denkt an Unterrichtsstunden für Mathematik, an Arbeit als Ingenieur für die Tagsatzung, gar an Dienst in den USA. Im Februar 1817 reicht er in Frankreich seine Entlassung ein und wird im März als Hauptmann in den Stab der Eidg. Genietruppen aufgenommen. Ab 1819 wirkte er an der Eidg. Central-Militärschule in Thun, deren Gründung er für die neue Bundesarmee vorgeschlagen und die er dann organisiert hatte.

Pont Saint-Antoine in Genf (SPWT 41, S.66)

In Genf hatte Dufour bereits 1816 die Aufsicht über die Festungsbauten erhalten und wurde Oberstleutnant der Genfer Miliz. Die Stadt zählte damals etwa 22‘000 Einwohner, während das Kantonsgebiet erst noch zu definieren war. Dufour qualifizierte sich mit Bauleitungen (Pont Carouge, Orangerie des botanischen Gartens, Palais Eynard). Für die Wasserversorgung brachte er 1821 das Pumpwerk zum Funktionieren (la Machine hydraulique). 1823 baute er eine Fussgängerbrücke als Hängebrücke mit Drahtseilen (Pont de Saint-Antoine). 1824 wurde ihm das Amt des Kantonsingenieurs angetragen. 1828 nahm er es an, ein Jahr zuvor war er zum Eidg. Oberst befördert worden. Die Stadtbefestigungen gab er nicht auf, leitete aber grosse Veränderungen der Stadt ein. Zu seinen Hauptwerken zählen die neuen Häuser an der Rue de Corraterie (1823-33), der Grand quai (1823-35) und das Quartier Bergues (1829-34). Die Uferanlagen dienten nun auch der ab 1823 einsetzenden Dampfschifffahrt auf dem Genfersee. Drahtseile für Hängebrücken waren 1823 eine Neuheit im Brückenbau, denn bisher war mit Ketten konstruiert worden. Dufour machte Versuche zum Tragverhalten und zog Konsequenzen für Konstruktion und Ausführung. In Genf baute er noch vier weitere Hängebrücken (1826-37). Ferner erstellte er acht Projekte (1824-1849) und war in drei Fällen als Experte tätig.

In seiner Eigenschaft als Oberstquartiermeister nahm Dufour die Landesvermessung der Schweiz an die Hand. Zwar unterstanden die topographischen und trigonometrischen Aufnahmen schon seit 1822 der eidgenössischen Militäraufsicht, doch sie waren lückenhaft, da man sie nur auf lokale und kantonale Bedürfnisse ausgerichtet hatte. Dufour erliess 1833 das Programm zur Vereinheitlichung. Mit bescheidenen Mitteln erwirkte er 1838 die Eröffnung des „Eidg. Topographischen Bureaus“ in Genf und konnte ab 1844 die einzelnen Blätter seines Kartenwerks 1:100‘000 veröffentlichen. Beendet wurde es 1865. Als Anerkennung hatte der Bundesrat 1863 beschlossen, den höchsten Gipfel der Schweiz – zuvor „Höchste Spitze“ genannt – als „Dufourspitze“ zu bezeichnen.

Nach 1847 wurde Dufour von der Bundesversammlung wiederholt zum Oberbefehlshaber der Armee gewählt. 1849 sollte er Übergriffe aus dem Grossherzogtum Baden verhindern. 1856 mobilisierte die Schweiz gegen Preussen im Konflikt wegen Neuenburg und 1859 mobilisierte sie anlässlich des sardisch-französischen Kriegs gegen Österreich.

Einen Überblick über das vielseitige Wirken von Dufour bietet das Schweizer Dufour Museum. Erwähnt seien schliesslich die theoretischen Arbeiten, die Dufour zeitlebens verfasste und die sein Denken als Ingenieur aufzeigen. Im zivilen Bereich behandelte er Themen wie Darstellende Geometrie, Geodäsie, Angewandte Statik und Brückenbau sowie Fragen aus der Hydraulik. Im Militär sind es Festungsbau, ein „Lehrbuch der Taktik“ und Militärgeschichte. Wie andere Ingenieure seiner Zeit stand Dufour im öffentlichen Dienst an leitender Stelle, und zwar in militärischer wie auch in ziviler Funktion.

26. Juli 2019 / Bruno Meyer

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