Die ersten Kantonsingenieure gehörten zu den kantonalen Verwaltungen. Dort übernahmen sie anfänglich die Aufsicht über das gesamte Bauwesen. Zum Teil gehörten diese Personen der Regierung an, wo ihre Funktion innerhalb des Regierungsrats als «Bauherr» bezeichnet wurde. Als später innerhalb der Verwaltung eigene Stellen geschaffen wurden, erhielten sie den Titel eines «Bauinspektors». Je nach Bauvolumen erfolgte eine weitere Aufteilung in die Bereiche Hoch- und Tiefbau.
Auf der fachlichen Seite sei zum Verständnis die Entwicklung des Eidg. Polytechnikums in Zürich dargestellt. Bei der Gründung von 1855 wurde die Schule gegliedert in die Bauschule (I), Ingenieurschule (II), die Mechanisch-Technische Schule (III), die Chemisch-Technische Schule (IV), die Forstschule (V) sowie die Philosophische und naturwissenschaftliche Abteilung, wozu auch der Vorkurs gehörte (VI). Bereits 1866 erfolgte eine erste Reform der einzelnen Abteilungen. Die Bauschule wurde in die Hochbauschule (I) umbenannt. Die Abteilung VI wurde zur Schule für die Bildung von Fachlehrern in mathematischer und naturwissenschaftlicher Richtung, während neu die Freifächer in der Abteilung VII mit den allgemeinen philosophischen und staatswirtschaftlichen Fächern angeboten wurden.
Im Jahr 1871 wurde die Forstschule aufgeteilt in die Land- und Forstwirtschaftliche Schule (V, A und V, B). Ihr wurde 1888 die Kulturingenieurschule angegliedert (V, C). Ab 1899 wurde die Abteilung für Hochbau (I) präzisiert in die «Architektenschule» und die Ingenieurschule (II) in jene für «Strassen-, Eisenbahn- Wasser- und Brückenbau sowie Vermessungswesen». Die Abteilung für Land- und Forstwirtschaft (V) blieb aufgeteilt in die «Forstschule» (V, A), die «Landwirtschaftliche Schule» (V, B) und die «Kulturingenieurschule» (V, C). Weitere Reformen mit neuen Bezeichnungen erfolgten 1909 und 1924 (ETH 1955, 220f).
Mit dem Diplom konnten entsprechende Titel erworben werden. Bei der Gründung waren es jener eines Baumeisters (I), eines Ingenieurs (II), eines Mechanikers (III), eines Technischen Chemikers oder Pharmazeuten (IV) sowie eines Forstwirts (V). Ab 1867 hiessen sie Architekt (I), Ingenieur (II), Maschineningenieur (III), Technischer Chemiker oder Pharmazeut (IV) und Forstwirt (V), ab 1873 auch Landwirt. Ab 1899 blieben die Titel der ersten drei Abteilungen unverändert. Jene der Abteilung IV hiessen Chemiker oder Apotheker und jene der Abteilung V Forstwirt, Landwirt und Kulturingenieur. In diesen Jahren präzisierten die Ingenieure selbst ihren Beruf häufig mit Zivilingenieur und manchmal mit Bauingenieur. Ab 1909 erhielt die ETH das Promotionsrecht und konnte den Doktortitel verleihen. Zu bemerken ist, dass ab 1924 alle technischen Fächer mit Ausnahme der Architekten den Titel Ingenieur erhielten. Dies gilt insbesondere für die Forstingenieure und Ingenieur-Agronomen. Diese Voraussetzungen sind besonders bei der Geschichte der kleineren Kantonsverwaltungen zu beachten (ETH 1955, 223f).
Uri
Im Kanton Uri war Martin Gisler (1820-1901) der erste kantonale Bauinspektor. Er war ein Baufachmann. Nach der Bauschule in München war er Bauaufseher im Dienst von Ingenieur Karl Emanuel Müller (1804-69) und zwar am Reusskanal, an der Nydeggbrücke sowie an der katholischen Kirche in Bern. Anschliessend war er als selbständiger Unternehmer tätig. 30jährig übernahm er öffentliche Ämter und war 1852 für drei Jahre Urner Regierungsrat. Dann wanderte er aus nach Slawonien, kehrte bereits im folgenden Jahr wieder zurück und wurde 1864 kantonaler Baumeister in Obwalden. 1865 beschloss der Urner Landrat die Schaffung eines kantonalen Bauinspektors. Mit Wohnsitz in Altdorf trat Martin Gisler dieses Amt 1867 an. Er hatte sowohl den Hoch- wie auch den Tiefbau zu betreuen. Ab 1888 wurde er als Kantonsingenieur bezeichnet und wirkte bis 1891. In diesen Jahren wurde er wiederum als Landrat, Gemeinderat von Altdorf und als Kantonsrichter gewählt (HLS 5/433. INSA 1, 1984, 183).
Nachfolger in diesem Amt war Ingenieur Johann Müller (1846-1905) aus Zug. Nach seinem Studium an der Ingenieurschule des Eidg. Polytechnikums war er von 1869 bis 1875 an verschiedenen Ingenieurbauten in Oesterreich tätig. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz fand er eine Stelle bei der NOB beim Bau der Linie Winterthur-Koblenz, wurde Sektionsingenieur bei der Tösskorrektion in Bauma und war von 1885 bis 1887 Kantonsingenieur in Zug. Von 1887 bis 1891 leitete er die Bachverbauungen bei Niederurnen und Bilten im Kanton Glarus. 1892 wurde er zum Kantonsingenieur von Uri gewählt, erkrankte aber später im Amt (SBZ 18.2.1905, 89-90). Das Amt hatte damals regierungsrätliche Kommissionen zur Inspektion der Strassen und Wuhren, für die Klausen- und Sustenstrasse, den Bau des Kollegiums sowie eine Wuhrkommission. Ihnen unterstellt waren zahlreiche Strassenakkordanten und Wegknechte für die einzelnen Strassenabschnitte und sechs «Wehremeister» für den Wasserbau. Müllers Hauptwerk war die 1900 eröffnete Strasse über den Klausenpass auf der Urner Seite. Ihm zur Verfügung standen Ingenieure und Techniker (SBZ 16.3.1901, 109f).
Im Januar 1905 wurde Ingenieur Wilhelm Epp (1877-1912) zum neuen Kantonsingenieur gewählt. Nach seinem Diplom an der Ingenieurschule des Polytechnikums (1902) war er an der Projektierung der Sustenstrasse tätig und dann bei den SBB. Im Alter von erst 28 Jahren übernahm er die volle Verantwortung in diesem Amt. Er hatte eine Hochwasserkatastrophe (1910) zu bewältigen und den Schächenbach zu verbauen. Zuvor hatte er zusammen mit seinem Bruder Dominik die Konzession der Strassenbahn Altdorf-Flüelen erkämpft (1903). In Ausübung seiner Berufspflicht erlitt er im November 1912 einen Steinschlag und verstarb einen Tag später. Seit 1911 hatte er in Alfred Bloch (1879-1927) einen Stellvertreter. Er war der erste Kulturingenieur des Kantons Uri mit der Aufgabe von Alpmeliorationen und Bodenverbesserungen in der Reussebene (SBZ 17.12.1927, 330f). Seine Besoldung wurde vom Bund nur subventioniert, sofern der Kandidat ein Diplom des Polytechnikums habe und sich ausschliesslich der Kulturtechnik widme.
Bereits im Dezember 1912 wählte der Urner Landrat Ingenieur Eduard Ammann (1884-1966) zum neuen Kantonsingenieur. Nach dem Diplom an der Ingenieurschule des Polytechnikums (1907) hatte er sich Praxis als Ingenieur erworben, zuletzt als Bauführer des Hauenstein-Basistunnels. In Uri blieb er bis 1922, war dann Leiter der Geschäftsstelle der Vereinigung Schweizerischer Strassenfachmänner bis 1935 und anschliessend Geschäftsführer der AG für Strassenbaustoffe in Zürich und bis 1955 Vertreter der Schweizerischen Teerindustrie AG, Pratteln (SBZ 31.3.1966, 244).
Im Mai 1922 wählte der Landrat Kulturingenieur Dominik Epp (1874-1957), damals Oberstleutnant der Infanterie, zum neuen Kantonsingenieur. Er hatte das Diplom des Eidg. Polytechnikums 1901 erlangt und war nach Aufenthalten bei grossen Wasserbauten der Firma Zschokke in Südfrankreich bei Meliorationen der Korporation Uri tätig. Gleichzeitig baute er mit seinem Bruder Wilhelm die Strassenbahn Altdorf-Flüelen und stellte sich dort als Verwaltungsrat zur Verfügung. Danach baute er die Strassenbahn Schwyz-Brunnen und stand von 1918-22 im Dienst der SBB. Als Kantonsingenieur hatte auch er noch den gesamten Hoch- und Tiefbau im Kanton zu betreuen. Das Amt war ähnlich organisiert wir dreissig Jahre zuvor. Ergänzend kamen hinzu der Ausbau der Wasserkräfte, ab 1937 die Förderung des Strassenbaus anlässlich des eidg. Alpenstrassen-Programms und der Bau der neuen Strasse über den Sustenpass (HLS 4, 235. SBZ 21.9.1957, 438 und 617-8. INSA 1, 1984, 183).
Schwyz
Die Aufgaben des Baudepartements betrafen vorab den Strassenbau. Im 19. Jahrhundert unterstand er dem Strasseninspektor, der für die Ausführung Strassenmeister und Wegknechte hatte. Sie arbeiteten anfänglich in Regie, ab etwa 1860 im Akkord für den zugewiesenen Strassenabschnitt. Die Stelle eines Kantonsingenieurs wurde 1906 geschaffen und mit Forstwirt Anton Düggelin (1857-1910) besetzt. Nach Schulen in Lachen, Schwyz und Lausanne hatte er am Eidg. Polytechnikum die Forstschule besucht und 1879 mit dem Diplom abgeschlossen. Nach praktischer Tätigkeit im Kanton Thurgau und bei Caspar Diethelm in Obwalden wurde er 1880 Adjunkt des Schwyzer Kantonsförsters. Hier unterstanden ihm die Waldungen des Bezirks March, wo er auch zahlreiche Bachverbauungen leitete. Daneben war er Gemeinderat von Lachen und Bezirksamtmann der March. Nach dem Rücktritt des Kantonsoberförsters Ulrich Schedler (1824-1907) wurde er 1906 zu dessen Nachfolger gewählt, übernahm aber im gleichen Jahr die neu geschaffene Stelle eines Kantonsingenieurs. Im Sommer 1909 wurde er in den Regierungsrat gewählt (HBLS II, 1924, 755. Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen, H. 10, 1910, 301-3).
Von 1910 bis 1913 wirkte Ingenieur Hermann Gubelmann (1885-1960) als Kantonsingenieur. Er hatte von 1903 bis 1907 an der Ingenieurschule des Polytechnikums studiert und war dann von 1918 bis 1954 beim Gaswerk und für die Wasserversorgung in Bern tätig (SBZ 28.4.1960, 295. SBZ 1.4.1911, 188). Dessen Nachfolger war Ingenieur Otto Schaub (1886-1955) aus Seen ZH. Nach dem Gymnasium in Winterthur hatte er 1910 an der Ingenieurschule des Polytechnikums mit dem Diplom abgeschlossen, war ein Jahr beim Stadtbauamt in Winterthur und dann Adjunkt in Biel. Von 1921 bis 1924 betrieb er ein eigenes Ingenieurbüro in Winterthur, worauf er sich zum Stadtbaumeister von Biel wählen liess (Berner Wochenchronik, 18.4.1925). Wie die Protokolle des Schwyzer Regierungsrats zeigen, war es in diesen Jahren schwierig, den Kantonsingenieur vom Militärdienst dispensieren zu können. Es gelang nur dank Hinweis auf die grosse anstehende Arbeit und den geringen Bestand an Personal.
An die Stelle von Otto Schaub trat Dr. Nazar Reichlin (1885-1969), der dieses Amt von 1921 bis 1958 ausübte. Hier konnte Reichlin seine vielseitigen Interessen zugunsten der Öffentlichkeit wahrnehmen. Nach Schulen in Schwyz hatte er an der Ingenieurschule des Polytechnikums studiert und promovierte dann an der Universität Freiburg in Naturwissenschaften (1904-13). Praxis als Ingenieur erwarb er sich im Eisenbahnbau, im Ausland und als Adjunkt von Oberingenieur Dr.phil. Hermann Häussler (1847-1916). Reichlin publizierte zum Wasserbau, leistete Pionierarbeit bei der kantonalen Vermessung und war beim Bau der Kraftwerke Wägital und Etzel engagiert. Ausserdem beeinflusste er den Hochbau bei der Renovation des Schwyzer Rathauses, des Archivturms und des interkantonalen Laboratoriums in Brunnen (SBZ 10.4.1969, 291. SBZ 13.3.1969, 205).
Obwalden
Erster Kantonsingenieur von Obwalden war Caspar Diethelm (1817-1901) aus Galgenen im Kanton Schwyz. Ausgebildet hatte er sich autodidaktisch vom Messgehilfen zum Ingenieur. Nach kleineren Strassen-, Eisenbahn- und Flussbauten machte er 1853 in Sachseln die Teilung der Allmend. Unklar ist, ab wann er den Titel Kantonsingenieur führte. In den Jahren 1855 bis 1862 war er an Planung und Bauleitung der Brünig- und Lopperstrasse beteiligt, wirkte aber auch an Axen-, Furka- und Oberalpstrasse mit. 1870 bis 1874 war er zuständig für Planung und Bauleitung der Strasse nach Engelberg. Im Flussbau projektierte er 1867 und 1878-82 die Umleitung der Grossen Melchaa in den Sarner See sowie 1879-87 die Korrektion der Kleinen Schliere in Alpnach. 1887 wurde er Ehrenbürger von Obwalden und trat 1895 als Kantonsingenieur zurück (HLS 3, 723). Auf ihn folgte für kurze Zeit ein nicht näher bekannter Ingenieur J. Glaser (INSA 8, 1996, 199).
Von 1896 bis 1899 wirkte Ingenieur Friedrich von Moos (1872-1946) als Kantonsingenieur. Er hatte die Kantonschulen in Sarnen und Luzern besucht, studierte an der Ingenieurschule des Eidg. Polytechnikums und holte das Diplom an der TH Stuttgart (1891-95). Erste Praxis erwarb er sich beim kantonalen Baudepartement in Luzern. Nach seinem Rücktritt war er drei Jahre beim Eidg. Geniebureau tätig, dann sechs Jahre im Eisenbahnbau, dann wiederum bei den Eidg. Befestigungsbauten und von 1914 bis 1934 Oberingenieur bei der Lötschbergbahn (SBZ 11.5.1946, 243. INSA 8, 1996, 198).
Zum neuen Kantonsingenieur wurde 1899 Ingenieur Otto Seiler (1864-1947) von Sarnen gewählt. Bereits als 21jähriger war er Gemeindeförster von Sarnen und erwarb praktische Erfahrung in der Beurteilung von Wildbächen. Im Jahr 1893 holte er in Zürich, damals schon Hauptmann der Infanterie, die nötige Ausbildung an der Ingenieurschule des Polytechnikums nach. 1897 wirkte er im Büro des Topographen Xaver Imfeld und im Baudepartement des Kantons Basel-Stadt, worauf er von der Obwaldner Regierung nach Sarnen berufen wurde. Hier unterstand ihm das kantonale Bauwesen. Sein Hauptwerk war die Verbauung der Grossen Schliere, doch sein Arbeitsfeld reichte vom Strassenbau, Wasserbau mit Verbauungen von Wildbächen und Flusskorrektionen über Meliorationen bis zur Vermessung. Gleichzeitig war er Berater der Nidwaldner Regierung. Im Militär war er als Oberst der Infanterie von 1912 bis 1917 Kommandant der St. Gotthard Ostfront. Nach mehr als 30jährigem, erfolgreichen Wirken für den Kanton wurden ihm angebliche Verfehlungen im Verhalten vorgeworfen, weshalb er an der Landsgemeinde 1932 abgewählt wurde. Eine vorherige Rechtfertigung der Bundesbehörden und der Berufskollegen waren wirkungslos geblieben. Seiler eröffnete ein eigenes Ingenieurbüro und wurde in umliegenden Kantonen zum gefragten Experten, worauf ihn die ETH mit einer besonderen Urkunde als Bauingenieur ehrte (SBZ 5.7.1947, 376).
Nidwalden
Ende des 19. Jahrhunderts lebte Ferdinand Businger (1839-1909) als Ingenieur in Nidwalden. Nach Studien an verschiedenen Orten hatte er 1863 mit dem Diplom am Eidg. Polytechnikum abgeschlossen. Erste Praxis erwarb er sich bei der Firma Bell in Kriens, beteiligte sich 1866 am Neubau der Strasse Buochs-Beckenried und leitete 1879 den Strassenbau von Beckenried nach Emmetten. Gleichzeitig begann er 1867 eine politische Laufbahn als Gemeindeschreiber in Stans, wurde Gemeinderat und nach verschiedenen öffentlichen Ämtern 1883 in den Regierungsrat gewählt. In dieser Funktion übernahm er das Amt als Baudirektor und wurde Landammann. Nach grossen Überschwemmungen von Beckenried im selben Jahr arbeitete er Pläne zur Verbauung der Wildbäche aus, später auch in Hergiswil und Buochs. In Stans hatte er bereits den Bau der Trinkwasserversorgung mit Hydranten geleitet wie auch auf die Abfallentsorgung geachtet (HLS 3, 141. SBZ 3.7.1909, 14).
Geleitet wurde damals die gesamte Bautätigkeit des relativ kleinen Kantons von einer Baukommission, bestehend aus drei Regierungsräten, ab 1919 aus fünf. Gleichzeitig war ein kantonaler Oberförster mit drei Revierförstern im Amt. Deren Amtszeit dauerte oft aus verschiedenen Gründen nur wenige Jahre. So wurde beispielsweise Arnold Engler (1869-1923) aus Stans 1897 zum Professor für Forstwissenschaften an das Polytechnikum berufen. Ab 1892 war er Oberförster des Kreises Prättigau in Graubünden gewesen und 1893 Oberförster in Nidwalden (HLS 4, 217). Ihm folgte Hans Hilty (1867-1957). Hilty erstellte hauptsächlich Lawinenverbauungen, Entwässerungen und Aufforstung im Gebiet von Wildbächen. 1902 wurde er zum Oberförster des Kreises III in Sargans gewählt, wo er bis 1936 wirkte (Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen, H. 9, 1957, 535-7). Ab 1902 folgten ihm Remigius Zumbühl (1874-1905) und ab 1905 Fritz von Erlach (1877-1959) bis 1907 und ab 1908 Arnold Deschwanden (1882-1918). Nach dem Studium an der Forstschule des Polytechnikums und einer kurzen Praxis trat Deschwanden 1908 das Amt als Oberförster an. Unmittelbar nach dem Tod von Landammann Businger, der als Ingenieur die Wildbachverbauungen bei bescheidenem Honorar persönlich leitete, wurde Deschwanden auch diese Arbeit übertragen, und nach der Überschwemmung von 1910 betraute ihn die Regierung mit der Durchführung der Aa-Korrektion. Nach einer heftigen Grippe verstarb er im jungen Alter von 37 Jahren (Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen, H. 1-2, 1919, 24-7). 1919 wurde sein früherer Adjunkt, Otto Müller (1884-1933) zum Oberförster gewählt und blieb bis 1927 in Nidwalden. Dieser kurze Abriss zeigt, dass viele Arbeiten, die andernorts von Ingenieuren übernommen wurden, in der Verantwortung des Oberförsters lagen. Als erster «Kantons- und Kulturingenieur» von Nidwalden gewählt wurde Emil Häusermann (*1911) in den 1940er Jahren (Staatskalender Nidwalden, 1943). Zuvor waren die Direktionen ergänzt worden um die Bereiche Verkehr, Vermessung, Wasser- und Elektrizitätswirtschaft. In die zugehörigen Kommissionen gewählt wurden jeweils Regierungsräte oder Ratsherren. Sie bestimmten die ausgeführten Werke.
Zu erwähnen ist hier Emil Lussy (1858-1905), ein Ingenieur von Stans. Seit 1877 verfolgte er unter zahlreichen anderen Unternehmern das Projekt einer Schmalspurbahn von Alpnach aus über Nidwalden nach Altdorf im Kanton Uri, das aber nicht zustande kam (INSA 9, 2003, 223). Ausgeführt und 1914 eröffnet hingegen wurde der Ersatzneubau der alten Drehbrücke bei Stansstad nach den Plänen von Professor Arthur Rohn (1878-1956), (SBZ 4.12.1915, 263f).
Glarus
Als Folge der Linthkorrektion waren im Kanton Glarus seit Ende des 18. Jahrhunderts schon mehrere Ingenieure tätig. In den Jahren 1840 bis 1862 war der Bündner Richard La Nicca (1794-1883) technischer Leiter des Linthwerks, der sich gleichzeitig noch an anderen Projekten beteiligte. Erster vollamtlicher «Linthingenieur» war Gottlieb Heinrich Legler (1823-1897). Nach einem Ingenieurstudium in Wien war er 1845 zum Adjunkten von La Nicca gewählt worden. Zugleich war er mit Wildbachverbauungen im Kanton Glarus beschäftigt und von 1853 bis 1865 als Offizier im Generalstab eingeteilt. Sein neues Arbeitsfeld deckte sich mit dem eines Kantonsingenieurs, ohne dass er diesen Titel führte (Daniel Speich in SPWT 82, 71).
Seit 1765 wurde im Kanton Glarus mit Jakob Schindler (1729-91) ein Mitglied der Regierung als Strassendirektor bezeichnet. Es war damals ein neugeschaffenes Amt (KdM GL II 2017, 27. HBLS VI, 184). Von 1820 bis 1830 hatte es Konrad Schindler (1757-1841) inne, bekannt als Erbauer der Herrensitze Haltli und Hof in Mollis (HLS 11, 82). Ihm folgte von 1830 bis 1841 sein jüngster Sohn Kaspar Schindler (1793-1880). Dessen Nachfolger war Fridolin Schindler (1811-1880), später Oberst. Im Sonderbundskrieg hatte er das Bataillon Schindler kommandiert (HBLS VI, 184). Bereits im Strassengesetz von 1835 waren die Aufgaben des Strassendirektors genau umschrieben, nämlich a) Vollzug der Beschlüsse der Regierung, b) Aufsicht über Strassen und Brücken, c) Anordnung und Leitung des Unterhalts, soweit die Strecken auf dem Land liegen (mittels Wegknechten) d) Ausführung der ihm übertragenen Arbeiten, e) Führung der Strassenrechnung. Es war eine «bleibende» und separat entlöhnte Stellung. Mit dem Strassengesetz von 1883 wurde diese Stelle des Strassendirektors mit «Kantonsingenieur» bezeichnet (Heer 1923, 57). Hinzu kam noch die Aufsicht über die Strassen der Gemeinden, insofern sie vom Kanton subventioniert wurden. Als Fridolin Schindler 1878 um Entlassung gebeten hatte, wurde die Stelle 1879 im Amtsblatt ausgeschrieben. Aus den vier eingegangenen Bewerbungen gewählt wurde Johann Müller (1845-1891) aus Mollis. Er stammte aus Rieden ZH und war zuvor Adjunkt von Strasseninspektor Fridolin Schindler gewesen. Nach Müllers Entlassung im Jahre 1888 wurde der Glarner Niklaus Hefti (1860-1906) aus Hätzingen gewählt. Er hatte von 1879 bis 1882 am Eidg. Polytechnikum die Ingenieurschule besucht und dann praktische Erfahrung im Wasserbau erworben. In Glarus galt seine Arbeitskraft neben Bachverbauungen der 1900 eröffneten Strasse über den Klausenpass (SBZ 30.6.1906, 320). Die örtliche Bauleitung auf der Glarner Seite hatte Alexander von Steiger (1868-1939), der spätere Eidg. Oberbauinspektor. Diese Arbeiten wurden 1897 termingerecht fertiggestellt. In den Jahren 1888 bis 1891 leitete der Zuger Johann Müller die Wildbachverbauungen in Niederurnen und Bilten (StAUR R-362-23/5).
Auf Hefti folgte 1905 Alfred Blumer (1878-1942). Sein Ingenieurstudium hatte er an der Technischen Hochschule in Stuttgart gemacht. Strassenbau, Wasserbau mit Nutzung der Wasserkraft und ab 1923 die Leitung der Grundbuchvermessung waren zeitlebens seine hauptsächlichsten Arbeitsgebiete (HLS 2, 505).
Zug
Wie andernorts regierte ab 1848 im Kanton Zug ein Regierungsrat aus elf Mitgliedern, eine Zahl, die ab 1873 auf sieben reduziert wurde. Für Spezialfragen bildete er Kommissionen aus drei Mitgliedern der Regierung und zog bei Bedarf Sachverständige bei. Bei den ständig wachsenden Aufgaben verlangte beispielsweise die Strassenkommission einen Beamten, der die Oberaufsicht zu führen habe (Schelbert 2005). Bereits ab 1885 amtete der Zuger Ingenieur Johann Müller (1846-1905) als Kantonsingenieur, wie der Bericht zur Vorstadtkatastrophe von 1887 zeigt. Weil diese Stelle befristet war und weil er keine Aussicht hatte, dass seine Projekte sofort realisiert würden, übernahm er im folgenden Jahr die Leitung von Wildbachverbauungen in Niederurnen und Bilten. In Zug konnte Ende 1889 ein nicht näher bekannter Ingenieur J. Zurflüh aus Burgdorf als Projektingenieur für zwei Jahre angestellt werden. 1895 wurde Karl Becker (1869-1936) zum neuen Kantonsingenieur gewählt. Er stammte aus dem Kanton Luzern. Nach seinem Diplom an der Ingenieurschule des Polytechnikums hatte er praktische Erfahrung im Eisenbahnbau gemacht. Er blieb bis 1899 im Amt, worauf er sich wieder dem Bahnbau zuwandte (SBZ 28.11.1936, 243-4).
Die nächsten zwei Ingenieure wechselten in eher rascher Folge. Aus zahlreichen Bewerbungen wählte der Regierungsrat im Dezember 1900 Ingenieur Robert Drossel (1849-1902). Er hatte Erfahrung im Bahnbau und zuvor in den Jahren 1890-98 den Bau der Strecke Zug-Goldau geleitet. Krankheitshalber bat er im November 1901 um Entlassung und verstarb im Januar 1902. Sein Nachfolger wurde Alexander Schafir (1871-1951). Er verliess diese Stelle bereits im Sommer 1903, weil ihn der Eidg. Schulrat als Assistent von Professor Wilhelm Ritter (1947-1906) an das Polytechnikum berief. Aus der erneuten Anzahl von Bewerbungen gewählt wurde im Mai 1903 Kulturingenieur Franz Josef Müller (1868-1944) aus Oberägeri. Mit ihm war eine geeignete Person gefunden, die während 31 Jahren als Kantonsingenieur wirkte. Zuvor war er mit einem Fähigkeitszeugnis als Unterförster ab 1893 für sechs Jahre in Zürich an der Eidg. Centralanstalt für forstliches Versuchswesen angestellt gewesen. Dann besuchte er die Kulturingenieurschule des Polytechnikums und erwarb 1903 das Ingenieur-Diplom. Im Kanton Zug erweiterte er das Strassennetz und leitete Meliorationen sowie die Verbauung der Reuss. Zudem war er Verwaltungsrat der elektrischen Strassenbahnen und politisierte zwanzig Jahre im Kantonsrat.
Appenzell Ausserrhoden
Im Jahr 1893 schuf der Kanton Appenzell-Ausserrhoden die neue Stelle eines Kantonsingenieurs und wählte Heinrich Zweifel (1852-1905) aus Haslen im Kanton Glarus. Zweifel hatte in den Jahren 1872-76 die Ingenieurschule des Eidg. Polytechnikums besucht und mit Diplom abgeschlossen. Dann war er für zwei Jahre beim Betrieb der Nordost-Bahn, für sieben Jahre als Bauführer an der Korrektion der Töss und für acht Jahre bei den Befestigungsbauten am Gotthard tätig. Er verstarb erst 53jährig im Amt (SBZ 25.2.1905, 105). 1906 wurde zu seinem Nachfolger gewählt Andreas D. Sutter (1880-1968). Er leitete den Bau der Gmündertobel-Brücke gemäss Plänen von Professor Mörsch (SBZ 13.2.1909, 81f). Vor seiner Wahl hatte er an der Ingenieurschule des Eidg. Polytechnikums sowie an der TH Darmstadt studiert und Praxis als Direktor des Wasserwerks Bad Nauheim erworben. Auf Empfehlung von Professor Mörsch wechselte er 1909 als Direktor zur Bauunternehmung Wayss & Freytag in Dresden, wo er ebenfalls von 1920 bis 1932 als Schweizer Konsul wirkte. Von 1932 bis 1945 war er Kantonsingenieur von Graubünden. Dort baute er das Strassennetz trotz beschränkter Mittel aus (SBZ 19.12.1968, 925).
Auf Andreas D. Sutter folgte 1909 Adolf Schläpfer (1880-1948). Vor seiner Wahl hatte er ebenfalls an der Ingenieurschule des Eidg. Polytechnikums studiert und dazwischen ein Praktikum bei der St. Gallischen Rheinkorrektion gemacht. Dann war er in Preussen bei Flusskorrektionen tätig. Auf ausgedehnten Reisen sammelte er weitere Erfahrungen im Strassenbau. Als Kantonsingenieur leitete er den Bau der Rotach-Brücke bei Teufen (1924), der Hundwilertobel-Brücke (1925), und der Passstrasse Urnäsch-Schwägalp. Im Strassenbau setzte er sich ein für erste staubfreie, geteerte Strassen. Nach seinem Rücktritt 1937 leistete er als Oberst im Generalstab Militärdienst im Büro des Geniechefs der Armee (HLS 11, 94. SBZ 17.4.1948, 225).
Appenzell-Innerrhoden
In der kantonalen Verwaltung sind bis Mitte des 20. Jahrhunderts keine Ingenieure zu finden. Für besondere Fachgebiete bildete die Regierung Kommissionen aus drei Regierungsräten. Einzig für das Forstwesen war ein kantonaler Oberförster mit drei Revierförstern im Amt.
Für Spezialfrage zogen beide Kantone ihre Ingenieure aus umliegenden Standorten bei, so Carl Weinmann (1855-1896) aus Winterthur für Wasserversorgungen (SBZ 19.9.1896, 94), Louis Kürsteiner (1862-1922) aus St. Gallen und Zürich ebenfalls für Wasserversorgung und Bahnbau (HLS 7, 518) sowie Arnold Sonderegger (1869-1933) aus St. Gallen für Strassenbau und Kanalisationen (SBZ 20.5.1933, 240).
Vielfalt im Rückblick
Das Amt eines Kantonsingenieurs wurde in kleineren Kantonen etwa ab 1880 eingeführt. Teilweise war es aus Spargründen befristet und man suchte sich Ingenieure für bestimmte Projekte. Ihre Amtsdauer variierte aus verschiedenen Gründen sehr stark. Einige benutzten sie als Sprung für die weitere Karriere, andere hatten darin bei grossem Engagement ihre Lebensstelle gefunden. Die einzelnen Lebensläufe der gut 30 Personen weisen eine Gemeinsamkeit auf. Fast alle hatten eine Ausbildung als Ingenieur am Eidg. Polytechnikum in Zürich oder im Ausland absolviert. Andere wiederum waren als Forstwirt zum Oberförster befähigt. Ihr Arbeitsgebiet umfasste vorwiegend Strassen- und Wasserbau zur verkehrsmässigen Erschliessung und zum Schutz vor Naturgefahren. Nicht jeder Kanton hatte die gleichen Voraussetzungen, sei es infolge der Topographie, sei es infolge beschränkter finanzieller Möglichkeiten. Darauf ausgerichtet hatten die Regierungen der einzelnen Kantone das Pflichtenheft.
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